Berlin will seinen CO2-Ausstoß so weit senken, dass die Stadt bis 2050 klimaneutral wird. Allerdings bedeutet das eine erhebliche Veränderung des alltäglichen Lebens und hohe Kosten.
Berlin kann seinen Kohlendioxid-Ausstoß bis 2050 so stark verringern, dass die Stadt das globale Klima nicht weiter schädigt – allerdings sind dafür gravierende Einschränkungen beim Energieverbrauch nötig. Das ist das Ergebnis einer Machbarkeitsstudie des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (Pik). Der Senat hatte das Institut beauftragt zu untersuchen, ob die geplanten Klimaziele Berlins bis zum Jahr 2050 zu erreichen sind. Trotz Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums könnten die Emissionen gegenüber 1990 um rund 85 Prozent gesenkt und Standards der Klimaneutralität erfüllt werden, geht aus der am Montag vorgestellten Untersuchung hervor.
Ziel ist es, den Kohlendioxid-Ausstoß von derzeit 21,3 Millionen Tonnen jährlich auf 4,4 Millionen Tonnen zu senken. Weltweit steigt der klimaschädliche Ausstoß des Kohlendioxids weiter an und bedroht die Umwelt. Dabei ist es dringend erforderlich, die Emission umweltschädlicher Abgase zu senken. „Business as usual bedeutet: Die Zerstörung der Lebensgrundlage. Punkt“, sagte der Direktor des Potsdamer Klimainstituts, Hans Joachim Schellnhuber. Ohne erhebliche Eingriffe werde sich die Erde in den kommenden 100 bis 200 Jahren um bis zu acht Grad Celsius erwärmen, aber schon eine Erwärmung um vier Grad würde die Lebensgrundlagen zerstören.
Nach Angaben Schellnhubers fällt Städten wie Berlin dabei eine besondere Rolle zu. Schon jetzt lebt knapp die Hälfte aller Menschen in Städten, die Tendenz ist steigend, in Ballungsräumen werden 70 Prozent aller schädlichen Emissionen ausgestoßen.
Neues Energiesystem würde die Wirtschaft stärken
Um in Berlin die Senkung des Kohlendioxidverbrauchs zu erreichen, muss das Land der Studie zufolge erhebliche Einschnitte vornehmen. So müsste nach Überzeugung der Verfasser der Studie die energetische Sanierung der Gebäude drastisch vorangetrieben werden. Derzeit wird jährlich nur ein Prozent der Gebäude wirksam gedämmt. Allein bei den öffentlichen Gebäuden besteht jedoch ein Sanierungsstau in Höhe von fünf Milliarden Euro. Auch bei Neubauten sollten nach Ansicht der Forscher höhere Standards gefordert werden. In der Wirtschaft lassen sich der Studie zufolge vor allem bei der Beleuchtung und Kommunikationstechnologien Emissionen einsparen, bei privaten Haushalten mit Hilfe von Abwrackprämien für Elektrogeräte und für nachhaltigeren Konsum.
Auch im Verkehr muss sich viel ändern, um die klimapolitischen Ziele nicht zu verfehlen. Die Zahl der angemeldeten Privat-Wagen müsste sich von derzeit 800.000 mindestens halbieren, stattdessen müssten Sharing-Flotten in der Stadt etabliert werden. Außerdem sollten Verkehrsplaner darauf achten, mehr Verkehr zu vermeiden und das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs und für Radfahrer zu verbessern. Insgesamt sei im Verkehr ein Sparpotenzial von 60 Prozent und beim Kohlendioxid-Ausstoß von 90 Prozent zu erreichen.
Vor allem der Umbau des Energiesystems würde dem Forscherteam zufolge auch die Berliner Wirtschaft stärken. Die Studie beziffert regionale Wertschöpfungseffekte zwischen 67 und 138 Millionen Euro. Um das zu erreichen, müsste die Stadt allerdings mehr Energie selbst produzieren. Nach Auffassung der Forscher könnte auf jedem vierten Dach eine Solaranlage installiert werden, außerdem könnten die Klärwerke mit neuer Technik zu Energieerzeugern umgestaltet werden, so dass die Stadt keine Energie mehr importieren müsste.
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Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) sieht die Stadt beim Klimaschutz auf einem guten Weg. „Wir wollen beweisen, dass Klimaschutz und urbanes Leben gerade auch in der Mieterstadt Berlin miteinander vereinbar sind“, sagte Müller am Montag. Berlin müsse den Anspruch haben, bei der Frage des Klimaschutzes eine führende Rolle einzunehmen. Tatsächlich stellen die Kosten für die geforderten Einschnitte die größte Herausforderung dar.
Ein geplantes Klimaschutzgesetz des alten rot-roten Senates scheiterte am Ende an den hohen Kosten für die Mieter. Bislang ist unklar, wie die riesigen Geldbeträge für die energetische Sanierung der Gebäude oder die Umstrukturierung des Verkehrs aufgebracht werden können. „Ohne den Bund wird es nicht gehen“, prognostizierte daher auch Hans-Joachim Ziesing vom Berliner Klimaschutzrat nach der Vorstellung der Machbarkeitsstudie.