Drittes Reich

Jüdische Kantorin will mit Comic an den Holocaust erinnern

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Annette Kuhn

Foto: Tobi Dahmen

Avitall Gerstetter wünscht sich eine lebendige Erinnerungskultur. Zum Gedenktag für die Opfer des Holocaust am 27. Januar hat sie sich ein Projekt ausgedacht, das junge Menschen ansprechen soll.

Als sie sieben war, fuhr Avitall Gerstetter nach Israel. Dort traf sie ihre Großtante Jolly und entdeckte auf deren Arm eine Nummer. Ihre Neugier war geweckt, und Jolly erzählte ihre Geschichte. Von der Deportation, von Auschwitz. Jollys jüngste Schwester wurde direkt nach ihrer Ankunft im Konzentrationslager ins Gas geschickt. Das war Rozsika.

Die Geschichte von Jolly und Rozsika ließ Avitall Gerstetter nicht mehr los. Heute ist die gebürtige Berlinerin Musikerin, wurde 2001 erste jüdische Kantorin Deutschlands und arbeitet in der Synagoge an der Oranienburger Straße. Mit der Musik, aber auch darüber hinaus, setzt sie sich dafür ein, das Gedenken an die Holocaust-Opfer aufrechtzuerhalten. Zum Gedenktag am 27. Januar hat sie sich ein besonderes Projekt ausgedacht, Schirmherrin ist Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke).

„We will call out your name“ – „Wir werden eure Namen rufen“ heißt das Vorhaben. Im Mittelpunkt steht eine Konzertreise von Auschwitz nach Berlin. „Ich möchte den umgekehrten Deportationsweg beschreiten“, sagt Gerstetter. Mit ihrer Großtante besucht sie am 22. Januar das KZ und gibt dort ein Konzert. Für die 82-jährige Jolly ist es die erste Reise an die Orte der Vergangenheit. Zwei Tage später gestaltet Gerstetter eine Gedenkveranstaltung im Haus der Wannsee-Konferenz, am 27. Januar ein Abschlusskonzert im Berliner Dom.

Jugendliche können Rozsikas Geschichte weiterspinnen

Bei diesem Konzert wird auch erstmals aus ihrem Kinderbuch vorgelesen, in dem die Kantorin die Geschichte von Rozsika aufgeschrieben hat. Das Buch erscheint erst im Frühling, gehört aber auch zum Projekt. „Das Gedenken darf sich nicht auf einen Tag beschränken“, erklärt Gerstetter. Außerdem bringt sie einen Comic heraus, dazu gibt es einen Blog, in dem Jugendliche die Geschichte Rozsikas weiterspinnen können. Wichtig ist Gerstetter, jüngere Menschen anzusprechen. „Überlebende gibt es kaum noch, wer wird danach erzählen können, was passiert ist?“

Bereits jetzt gibt es eine CD-Box mit Liedern und einem Band mit dem Namen eines Shoa-Opfers. „Vielleicht kann ich so Interesse wecken, zu diesen Namen und den Schicksalen dahinter zu recherchieren“, wünscht sich die Kantorin. Die Box gibt es für 22 Euro unter avitall.de, mit dem Verkaufserlös wird das Projekt finanziert.