Schließung

Kater Holzig verabschiedet sich mit einer Mega-Party

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Frédéric Schwilden

Das Kater Holzig ist ab sofort geschlossen. Im Frühjahr ziehen die Betreiber an den Holzmarkt - nach zehn Jahren Zwischennutzung. In der letzten Nacht wurde bis zum Umfallen gefeiert.

Ob das Konfetti wohl bis zur Decke reicht? Ob ein Flamingo mit Monokel an uns vorbei stolziert, auf seine Taschenuhr blickt und sich mit einer Drehung auf dem linken Bein gegen den Uhrzeigersinn dann doch entscheidet, noch ein wenig zu bleiben?

21 Taxen stehen vor dem Kater Holzig. Um zehn Uhr morgens. Am Sonntag. Irgendeiner wird schon rausstolpern aus dem Klub und rein ins Taxi fallen. Mit weit geöffneten Augen und trockener Zunge irgendetwas sagen. Die Gesichtshaut ganz fahl, wie kurz vorm Tod – und doch fühlt sich eine ganze Generation nur so lebendig. Kurz vor dem Kollaps, kraftlos, ausgezehrt, dehydriert. „Denkt an die Elektrolyte!“, meinte Karl der Künstler aus dem Regener-Roman „Herr Lehmann“ noch, „die Dehydrierung ist der größte Feind des Trinkers.“

Es ist die letzte Party an der Michaelkirchstraße. Der Kater Holzig schließt endgültig. Im Frühling ziehen die Betreiber Steffi-Lotta, Juval Dieziger und Christoph Klenzendorf an den Holzmarkt. Nach über zehn Jahren Zwischennutzung haben sie jetzt was Festes. Was 2004 als enthemmtes Hippie-Utopia mit der Bar25 an der Holzmarktstraße begann, wurde zum Party-Business gegenüber. Im Kater Holzig wurde das Verlangen nach allumfassendem Rausch ökonomisch nachhaltig betrieben.

Konfetti und das Gefühl grenzenloser Freiheit

Der Kater Holzig gab Berlin und seinen Gästen aus aller Welt Konfetti, ein Restaurant auf hohem Niveau und das Gefühl grenzenloser Freiheit vermengt mit Exklusivität. Die Drogen musste man natürlich selber mitbringen. Die Auswahl an der Tür war streng, beliebig, wie der neue Frisurentrend, bei dem an den Seiten alles rasiert wird, und doch machte irgendwann jeder mit.

Die Broschüre für den neuen Holzmarkt auf dem alten Bar25-Gelände liest sich ein bisschen wie eine Satire auf Berlin. Auf dem Gelände, dass die Bar-25-Kater-Gründer mit Hilfe einer Genossenschaft gekauft haben, entsteht ein neues Utopia. Da gibt es das Eckwerk, ein Technologiezentrum für Studenten, Forscher und Gründer und Start-Ups. Ein Club ist drin, natürlich wieder ein Restaurant, Galerie, Kunstraum, und ein Dorf, in dem Leute wohnen sollen. Biodynamisches Gemüse wird natürlich auch im Möhrchenpark gezüchtet.

Aber das ist auf dieser letzten Party alles egal. Im Innenhof sitzen in den Morgenstunden Leute mit Glitzer und Konfetti im Gesicht. Irgendwo will einer nach Miami und trägt ein Acapulco-Shirt und faselt was von einer Zirbeldrüse. Sie trinken, torkeln, blasen Tröten. Da wird geknutscht. Dort drüben was geraucht. Und wieder ein anderer wirft in der Fischritze, der kleinen Hütte mit den sich drehenden Glocken vor der Tür, ein paar grüne Pastillen, auf die ein Einhorn geprägt ist, in gierige Münder. Und erst die Hüte. Zaubererhüte. Wie auf einem Ball zwischen dem Auenland und Hogwarts.

Der Traum von einer Straußenfarm in Südkorea

Aus dem Aussteigerparadies Club ist inzwischen ein urbaner Marktplatz geworden, auf dem sich alle in den Morgenstunden bis zum nächsten, nächsten und übernächsten Abend treffen. Versicherungskauffrauen schießen sich für 24 Stunden ins Nirvana, genauso wie Zimmermänner Zauberpulver naschen, Studenten der Betriebswirtschaftslehre ihre Hose auf dem Floor neben den Klos verlieren und irgendwelche Start-Up-Rich-Kids am Spreeufer davon träumen, alles hinzuschmeißen und doch eine Straußenfarm in Südkorea oder anderswo zu eröffnen.

Der bedingungslose Exzess ist nicht mehr Exklusiv-Territorium der innerstädtischen Exilanten und Eremiten. Der bedingungslose Exzess ist zum Wochenendritual einer neuen Berliner Gesellschaft zwischen 20 und 40 geworden.

Die Gründer der Bar, vom Kater und jetzt vom Holzmarkt, haben das erkannt. Sie haben aus eigener Erfahrung, dem Verlangen nach Rausch, nach diesem Kribbeln in den Fingern, eine neue Ordnung mitten in Berlin errichtet. Noch mal an den Glocken gedreht, dass es klingelt wie auf hoher See, noch mal ein Einhorn gejagt und dann noch Hause. Im Frühjahr geht alles wieder los.