Eines der größten städtebaulichen Entwicklungsvorhaben der Stadt soll durch politische Intervention von höchster Ebene gerettet werden. Die Pläne des Möbelhaus-Unternehmers Kurt Krieger auf dem Pankower Güterbahnhof standen nach einem 17 Monate währenden Werkstattverfahren zwischen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bezirk und Investor vor dem Scheitern.
Jetzt wollen der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und die Fraktionsspitze der SPD das Projekt mit einem Investitionsvolumen von bis zu 700 Millionen Euro retten. Auch die CDU signalisierte Zustimmung. Man sei schon lange für das Projekt, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer, Heiko Melzer.
Die Gespräche mit Krieger persönlich sind sehr weit gediehen. Vergangene Woche war Wowereit selbst zum Ortstermin auf dem 40 Hektar großen Güterbahnhofs-Gelände – nach den beiden Flughafenarealen in Tempelhof und Tegel der drittgrößten Brachfläche der Stadt. Er drängt nach mehr als dreijähriger Debatte nun auf eine Entscheidung. Durch beiderseitiges Entgegenkommen könnte nun der planerische Knoten durchschlagen werden.
Jede dritte Wohnung soll zu günstigen Preisen vermietet werden
Das Interesse daran ist groß. Vor allem für die SPD bietet der Handel mit dem Möbelhaus-Investor die Chance, einige in der letzten Zeit neu entwickelte politische Prinzipien mit Leben zu erfüllen. So soll Krieger auch günstige Mietwohnungen anbieten und aus seinem Zugewinn durch Umwidmung der Fläche in Bauland einen Teil für kommunale Belange abtreten.
Das Parlament verfügt über eine ausgesprochene Machtposition, denn um auf der früheren Bahnfläche mehr als ein großes Möbellager zu errichten, muss der Flächennutzungsplan geändert werden. Dafür ist eine Gesetzesänderung nötig. „Große Investoren müssen das Gefühl haben, dass sie willkommen sind“, sagte der Fraktionschef der Sozialdemokraten, Raed Saleh.
Krieger ist bereit, auf dem lang gestreckten Grundstück südlich der Bahnlinie zwischen den S-Bahnhöfen Pankow und Heinersdorf bis zu 750 neue Wohnungen zu bauen. Und vor allem will er sich darauf einlassen, von diesen Wohnungen jede dritte zu für die Lage überaus günstigen Mietpreisen von 5,50 Euro pro Quadratmeter zur Verfügung zu stellen. Krieger kalkuliert nach Informationen dieser Zeitung mit Kosten von 20 Millionen Euro, die ihn dieses Zugeständnis kosten wird.
Auswirkungen auf Shoppingcenter Alexa am Alexanderplatz
Im Gegenzug soll ihm erlaubt werden, das von ihm gewünschte und zur Finanzierung des Gesamtprojekts benötigte Einkaufszentrum mit 30.000 Quadratmetern zu bauen. So groß müsste nach Meinung von Fachleuten ein Einkaufszentrum schon sein, um Publikum anzuziehen. Darüber hatte es in der Werkstatt-Phase stets Streit gegeben, weil eine so große Shopping-Mall die umliegenden Einkaufsstraßen bedrohen könnte. Nach Aussagen der Senats-Experten könnte das Vorhaben Auswirkungen bis auf das Alexa am Alexanderplatz haben, weil auswärtige Kunden eben schon in Pankow abfahren und sich den Weg bis nach Mitte sparen könnten.
Der Wahlkreis-Abgeordnete Torsten Schneider, der auch Parlamentarischer Geschäftsführer und Finanzexperte der SPD-Fraktion ist, hat deswegen zwar einige Bedenken mit Blick auf die lokalen Einzelhändler. Aber eine private Umfrage unter den Ladenbesitzern habe ergeben, dass eine Mehrzahl der Kiez-Geschäfte die Konkurrenz eines Einkaufszentrums nicht fürchtet.
Vor allem aber wäre es eine ausgezeichnete Gelegenheit, in diesem Umfang Mietwohnungen für Geringverdiener gebaut zu bekommen, sodass gesamtstädtische Interessen aus Sicht des Sozialdemokraten in den Vordergrund treten. „Wir müssen zeigen, dass preisgünstiger Wohnungsbau in der Innenstadt möglich ist“, sagte Fraktionschef Saleh.
Grundstücke für eine Grund- und eine Oberschule
Investor Krieger ist zudem bereit, eine öffentliche Infrastruktur zu unterstützen, die der wachsende Bezirk sowieso braucht und die umso dringender ist, wenn zusätzliche Menschen in die neuen Wohnungen einziehen. So will Krieger an der Nordost-Ecke seines Geländes ein Grundstück für eine Oberschule mit 1200 Plätzen bereitstellen, die der Bezirk bauen würde. Der runde Lokschuppen könnte als Aula genutzt werden, so der Plan. Am anderen Ende, direkt am S- und U-Bahnhof Pankow, würde Krieger ein weiteres Grundstück für eine Schule bereitstellen. Hier ist eine Grundschule für 600 Kinder vorgesehen.
Bisher gilt es in Berlin als sehr schwierig, Wohngebäude zu Mietpreisen von unter acht oder neun Euro bauen zu lassen. An einigen Orten versuchen Bezirke wie Friedrichshain-Kreuzberg, Investoren über städtebauliche Verträge zu günstigen Mieten zu verpflichten – als Gegenleistung für eine dichtere Bebauung oder eine Wertsteigerung durch die Ausweisung als Bauland. Dass jede dritte Wohnung derartig günstig angeboten werden soll, wäre einmalig in Berlin.
Problem für das Vorhaben Kriegers gab es neben der Einzelhandels-Frage auch an mit der damit verbundenen Verkehrsplanung. Die Senatsverwaltung legte bisher Wert darauf, von dem Autobahn-Zubringer der Prenzlauer Promenade eine Hochstraße Richtung Bornholmer Straße zu ziehen, um so den Innenstadtring besser für den Autoverkehr anzubinden. Der Bezirk wiederum fordert eine Straßenbahn-Anbindung aus Richtung Süden, von der Prenzlauer Allee her. An diesem Grundsatzkonflikt zwischen „autogerechter Stadt“ und den Belangen des öffentlichen Personennahverkehrs wäre das Riesen-Projekt um ein Haar gescheitert.
Kurt Krieger selbst war dem Vernehmen nach kurz davor, das ganze Vorhaben abzublasen.