Die Berliner Polizei hat Nachwuchssorgen. Viele Polizisten werden in Pension gehen, es fehlt an Nachwuchs. Immerhin: 350 Neue starten jetzt ihre Ausbildung, aber die Zahl der Bewerber sinkt.

Der Berliner Polizei drohen auch in Zukunft erhebliche Personalprobleme. Sorgen bereitet der Behörde der fehlende Nachwuchs ebenso wie die Eignung der Bewerber: 25 bis 30 Prozent der Kandidaten fallen durch den Deutschtest. Dabei sei die Polizei gerade jetzt dringend auf Nachwuchs angewiesen, da in den kommenden Jahren zahlreiche Beamte altersbedingt aus dem Dienst ausscheiden, sagte Katja Sievert, in der Polizeibehörde zuständig für den Bereich Werbung und Einstellung, am Sonnabend.

„Eigentlich müssten wir mehr Nachwuchs einstellen. Stattdessen gehen die Bewerberzahlen zurück“, erklärte die Gruppenleiterin in der Polizeiverwaltung (Zentrale Service-Einheit) das derzeitige Problem. In den kommenden zehn Jahren werden etwa 6300 Polizisten in den Ruhestand gehen. Das sind rund 40 Prozent der insgesamt derzeit 16.000 Vollzugsbeamten in Berlin, die ersetzt werden müssen. Gerade erst haben knapp 350 künftige Ordnungshüter ihre Ausbildung bei der Berliner Polizei begonnen. 150 Berufsanfänger haben ein Fachhochschulstudium aufgenommen, um danach in den gehobenen Dienst, die sogenannte Kommissarslaufbahn bei der Schutz- und Kriminalpolizei, einzutreten. Weitere 192 angehende Beamte sollen nach ihrer Ausbildung an der Landespolizeischule den mittleren Dienst der Behörde verstärken.

Was diese Zahlen nicht verraten: Um die geschaffenen Ausbildungsstellen überhaupt vollständig besetzen zu können, musste die Bewerbungsfrist verlängert werden, denn die Anzahl der Bewerber ist im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zurückgegangen. Ähnliche Probleme befürchten die Verantwortlichen auch bei der Besetzung der für das kommende Frühjahr bereitgestellten Ausbildungsplätze. Gab es für den Ausbildungsstart im Frühjahr dieses Jahres noch 2360 Bewerber auf 140 Plätze im Mittleren Dienst, sind es für den nächsten Ausbildungsstart im Frühjahr 2014 nun 13 Prozent weniger (rund 2050). Dabei sollen dann nicht nur 140 Anwärter, sondern 200 bis 300 eingestellt werden. Auch für die Ausbildung im gehobenen Dienst der Schutzpolizei zeigt sich ein ähnliches Bild. Im vergangenen Jahr bewarben sich noch 1000 Schulabgänger auf die 90 Stellen, nun sollen bis zu 150 Ausbildungsplätze besetzt werden. Aber dafür haben sich bislang sogar 35 Prozent weniger Kandidaten gemeldet (rund 650). „Das Verhältnis zwischen Bewerberzahl und der Anzahl der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze hat sich deutlich verschlechtert“, räumte Polizeisprecher Stefan Redlich ein.

Wettkampf um die Besten

Es sind allerdings nicht nur die rückläufigen Bewerberzahlen, die der Behörde Sorgen bereiten. Auch die Qualität vieler Bewerber lässt nach Angaben von Katja Sievert zu wünschen übrig. Viele Bewerber scheitern an den Eignungstests oder den gesundheitlichen Anforderungen. Erstaunlich oft fördern die medizinischen Untersuchungen bei den durchweg jungen Menschen Krankheiten wie Asthma oder Wirbelsäulenverkrümmung zutage. Und bis zu 30 Prozent der Bewerber fallen schon seit Jahren bei jeder Eignungsprüfung durch den Deutschtest. Bildungsdefizite, nicht nur im Hinblick auf Sprachkenntnisse, sondern in nahezu allen Fächern, beklagt nicht nur die Polizei. Auch Arbeitgeber aus der freien Wirtschaft kritisieren dies Manko, dass insbesondere bei Berliner Schülern auffällig ist. Die Industrie und Handelskammer hat in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen.

Ein wichtiger Grund für den Mangel an geeignetem Nachwuchs sind nach Ansicht von Katja Sievert die sinkende Zahl von Schulabgängern und der harte Wettkampf mit anderen Arbeitgebern um die Besten. Die Beamtin spricht allerdings auch offen die Schattenseiten des Polizeiberufs an, die womöglich manchen geeigneten Kandidaten abschrecken. „Zwar ist der Beruf besonders vielseitig und nah am Menschen. Doch die jungen Menschen müssen sich ja auch darüber im Klaren sein, dass sie im Einsatz nicht nur freundlich behandelt werden“, beschreibt die Amtsrätin betont zurückhaltend ein seit Langem bestehendes Kernproblem der Polizei. Auch ein anderes, besonders die Berliner Ordnungshüter betreffendes Manko lässt sie nicht unerwähnt: Wegen der knappen Landeskassen zahle die Polizei in der Hauptstadt im Vergleich zu den Behörden anderer Länder mit am schlechtesten.

Gewerkschaften: 15 und 20 Prozent weniger Verdienst als woanders

Die Gewerkschaften finden für diese Probleme naturgemäß harschere Worte. Sie haben errechnet, dass Berliner Polizisten zwischen 15 und 20 Prozent weniger verdienen als ihre Kollegen bei der Bundespolizei oder in anderen Bundesländern. Wer sich für den Polizeiberuf interessiere, bewerbe sich gleich woanders als in Berlin, heißt es bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Deren Landesvorsitzender Michael Purper kritisiert zudem nicht nur die schlechte Bezahlung. „Die Bewerberzahl ist so niedrig, weil der Polizei gerade in Berlin so wenig Wertschätzung entgegengebracht wird“, ist Purper überzeugt. Ein Zustand, für den nach Ansicht des GdP-Chefs auch und vor allem die Berliner Politik mitverantwortlich ist.

Nichtsdestotrotz lässt die Berliner Behörde nichts unversucht, für den Polizeiberuf zu werben. In großen Anzeigen preist sie aktuell in Zeitungen ihre Ausbildung – besonders gern im Sportteil, der viel von jungen Menschen gelesen wird. „Komm in unser Team“, steht in großen Lettern unter einem Foto, auf dem ein Dutzend strahlender junger Azubis in Uniform zu sehen ist. Auf 130 Veranstaltungen an Schulen und auf Jobbörsen hat die Polizei 2012 für den Beruf geworben. Auch mit dem türkischen Generalkonsulat gab es eine Werbeveranstaltung, denn die Polizei bemüht sich ebenso wie die übrige Berliner Verwaltung um Bewerber mit Migrationshintergrund. Ihr Anteil liegt aktuell bei rund 20 Prozent.