Mit schwarzen Luftballons an den Beinen haben in Berlin-Mitte Hunderte Taubblinde und ihre Unterstützer demonstriert. Sie wollen auf ihre schwierige Situation aufmerksam machen, fühlen sich isoliert.

Erstmals haben am Freitag in Berlin taubblinde Menschen für mehr Rechte demonstriert. Rund 400 Personen nahmen an der Aktion teil. Während des Marsches hatten sich die Teilnehmer schwarze Luftballons ans Bein gebunden. Sie symbolisierten angekettete Eisenkugeln, und sollten deutlich machen, dass sich Taubblindheit anfühlt wie Isolationshaft, wenn Unterstützung fehle, sagt der Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Taubblinden (BAT) Dieter Zelle. Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland 2500 bis 6000 Taubblinde, die aus ihrer Sicht nicht angemessen mit Hilfsmitteln oder Assistenzleistungen versorgt werden.

Zu der Demonstration hatten unter anderem die BAT und der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband sowie der deutsche Diakonie-Bundesverband der evangelischen Kirche und das Potsdamer Oberlinhaus aufgerufen.

Die Demonstranten, die von Betreuern begleitet wurden, gingen als „schweigende Menschenkette“ vom Platz der Republik am Reichstag zum Potsdamer Platz. Dort sollten die Proteste mit einer „Insel der Isolation“ enden, die von den Taubblinden dargestellt werden sollte.

Gehörlos und erblindet

„Wenn man taubblind ist, dann muss man ganz andere Strategien entwickeln, um ein Hemd zu bügeln, einen Tee zu kochen, Geld zu zählen oder ein Glas einzugießen“, sagt Irmgard Reichstein, Gründerin der Stiftung „Taubblind leben“. Kommunikationstraining, spezifische Hilfsmittel, Training praktischer Fähigkeiten oder Assistenzen würden aber oft nicht genehmigt oder hartnäckig abgelehnt, kritisiert sie. Oft helfe nur eine Klage.

Seit Jahren fordern Organisationen daher das Kennzeichen „Tbl“ für die Schwerbehindertenausweise. „Solche Merkzeichen dienen dem Nachweis, dass man das Recht auf bestimmte Nachteilsausgleiche oder Sozialleistungen hat“, sagt der Sprecher des Blinden- und Sehbehindertenverbandes, Volker Lenk. Nur mit Schwierigkeiten können Taubblinde mit anderen Menschen kommunizieren.

Viele sind gehörlos geboren und im Laufe des Lebens erblindet. Arztbesuche oder Einkaufen – für viele Taubblinde sind diese Dinge ohne Hilfe unmöglich. „Einen großen Teil fangen die Familien auf“, sagt die Vorsitzende des Taubblinden-Assistentenverbandes, Stephanie Hauke. Ausgebildete Assistenten seien in Deutschland selten, der Verband habe etwa 80 Mitglieder. Die meisten arbeiten laut Hauke ehrenamtlich oder für eine geringe Aufwandsentschädigung.

Modellprojekte in Bayern

Das Bundesland Nordrhein-Westfalen sei immerhin das erste Bundesland, in dem Krankenkassen für alle Kassenleistungen einen Assistenten genehmigen. Mit Bayern liefen derzeit Verhandlungen. Auch Baden-Württemberg habe Interesse signalisiert. Eine bundesweit anerkannte Ausbildung für Assistenzen gebe es nicht, kritisiert Hauke. Nur in Nordrhein-Westfalen und Bayern liefen Modellprojekte.

Ein Grund dafür, dass es noch immer kein Merkzeichen und keine Regelungen für Hilfsleistungen gibt, ist laut Bundessozialministerium die Haltung zahlreicher Bundesländer. Diese hätten sich gegen den Vorschlag ausgesprochen, zunächst die Merkzeichen einzuführen und dann Regelungen zu schaffen, teilte eine Sprecherin mit. Viele Länder fordern demnach, beide Schritte gleichzeitig umzusetzen. Das Ministerium wolle nun neue Erkenntnisse einer Studie über die Bedürfnisse Taubblinder auswerten und dann mit den Ländern und Verbänden Gespräche aufnehmen.