„Ich bin Unternehmer geworden, weil ich für keinen anderen Armleuchter arbeiten wollte.“ Ein gern zitierter Satz von Peter Dussmann. Weil er viel über den Charakter des Selfmademan, dessen Aufstieg zu einem der weltweit größten Multidienstleistungsanbieter für Facility-Management, aber auch über dessen Hang zum oft harschen Ton aussagt. Den Berlinern ist Peter Dussmann vor allem durch das Kulturkaufhaus an der Friedrichstraße bekannt, das seinen Namen trägt. Auch dieses ein eher dussmannsches Zufallsprodukt. Eigentlich wollte er das von ihm gebaute Geschäftshaus vermieten. Weil es keine solventen Interessenten gab, erinnerte sich der gelernte Buchhändler seiner Wurzeln, machte aus der Not eine Tugend und eröffnete 1997 sein eigenes Medienkaufhaus.
Fast ein Plagiat. Um es besser zu machen als das damals gerade an der Fasanenstraße gescheiterte französische Kulturhaus FNAC, schickte der sparsame, 1938 im schwäbischen Rottweil geborene Sohn eines Buchhändler-Ehepaars, drei Mitarbeiter nach New York. Mit dem Auftrag, in einer der größten Buchhandlungen der Stadt Anregungen für Gestaltung und Sortiment des Berliner Kaufhauses zu sammeln. Mit Notizblock, Fotoapparat und Zentimetermaß bilanzierten sie das gedruckte und gepresste Angebot bis hin zur Länge der Regale für Belletristik, Fachliteratur, Bildbände, CD, und, und, und – Dussmann hatte sein Konzept und Berlin eine Attraktion mehr.
Auch deshalb, weil der Geschäftsmann, der sich höchst ungern etwas vorschreiben ließ, mit einem Trick das damals noch rigide Ladenschlussgesetz aushebelte. Er beförderte flugs zahlreiche Mitarbeiter zu Leitenden Angestellten, die vom Ladenschlussgesetz als Arbeitnehmerschutzgesetz nicht betroffen sind. Werbewirksam und dazu legal gab es in Berlin das Kulturkaufhaus mit den damals längsten Öffnungszeiten: sechs Tage die Woche von zehn bis 22 Uhr. Was heute nichts Besonderes mehr ist, galt damals als ebenso ideen- wie fintenreicher Gag.
Dienstleister aus Zufall
Seine Unternehmenskarriere startete Peter Dussmann 1963. Dass sie im Dienstleistungsbereich begann, war Zufall. Eine Zeitungsmeldung über „Heimpflegedienste für Junggesellen in Köln“ inspirierte den damals 25-Jährigen, etwas Ähnliches in München aufzubauen. In der bayrischen Metropole gab es viele gut verdienende Junggesellen, für die aber niemand kochte, putzte und die Wäsche wusch. Er verkaufte seinen Opel, setzte den Erlös von 2000 D-Mark als Startkapital ein, kaufte sich noch für fünf Mark einen Gewerbeschein und fertig war der Jungunternehmer. Das Geschäft florierte. Sieben Jahre später beschäftigte Dussmann bereits 1000 Mitarbeiter.
Und die Expansion ging weiter. Als neue Felder entdeckte er die Gebäudereinigung und setzte auf Industriekunden. Dann nahm er Krankenhäuser ins geschäftliche Visier, bot als Erster Dienste von der Reinigung bis zum Catering an. „Facility Management“ heißt das längst. 1985 folgten „Kursana“-Residenzen für Senioren. Gut 60.000 Mitarbeiter in mehr als 20 Ländern reinigen heute Metrostationen, Krankenhäuser, Einkaufspassagen und Flughäfen, bewachen Gebäude, bekochen Soldaten, betreuen Pflegebedürftige, managen Wohnanlagen und kümmern sich um Gebäudetechnik für einen der größten Dienstleistungskonzerne Europas mit einem Jahresumsatz von mittlerweile knapp 1,73 Milliarden Euro.
Der Fall der Mauer hatte seinem Geschäft einen kräftigen Schub beschert. Neue Märkte im Osten öffneten sich weit über die alte DDR hinaus. Folgerichtig verlegte Peter Dussmann seinen Firmensitz gleich nach der Wende von München nach Berlin. „Ich wollte die Aufbruchstimmung der neuen Hauptstadt miterleben. Aber zugleich von Berlin aus in Osteuropa präsent sein“, begründete er später einmal diese auch für ihn und Berlin so glückliche Wendung.
So erfolgreich seine Geschäfte, so knallhart bis rüde konnte er mit seinen Mitarbeitern umgehen. Sein Führungsprinzip folgte der Devise: Delegieren von Verantwortung bei gleichzeitiger strenger Kontrolle. Und wehe, das funktionierte nicht so, wie es der Chef erwartete. Wer bei ihm in Ungnade fiel, und das waren im Laufe der Jahre nicht wenige Vorstandsmitglieder, durfte mit Nachsicht nicht rechnen. Trennungen in Anstand und Würde waren Ausnahmen. In einem Interview hat er das einmal so begründet: „Die haben nicht gut gearbeitet, das hat mich und das Unternehmen belastet.“
Einer der geschassten Top-Manager war Thomas Greiner. Sein Urteil über den einstigen Chef: „Natürlich hat er eine starke Persönlichkeit, aber das ist bei seinem Werdegang zwangsläufig. Ich habe ihn in zehn Jahren der Zusammenarbeit kennengelernt und kann sagen, er ist jemand, der perfekt delegieren kann. Und wenn er jemand vertraut, dann gewährt er sehr große Spielräume.“ Auch in Diskussionsrunden war Peter Dussmann kein bequemer Gesprächspartner. Sagte, was er dachte, frei heraus. Unvergessen ist eine Unternehmertafel, bei der der Schwabe Dussmann den Landsmann und Unternehmerkollegen Hans Wall anfuhr: „Sie müssen ihre Plakate nicht an jedes Scheißhäusle kleben.“
Dussmann war nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer, auch ein großzügiger Mäzen. Als Freund der Staatsoper Unter den Linden hat er dem Haus mit ein paar Millionen Euro geholfen, damit die mittlerweile immer kompliziertere Sanierung überhaupt auf den Weg kommt. Das Musikgymnasium Carl Philipp Emanuel Bach unterstützte er mit Spenden und neuen Instrumenten. Und dass das Berliner Stadthaus, in dem der Innensenator residiert, wieder eine überlebensgroße Nachbildung der römischen Göttin Fortuna schmückt, ist ebenfalls seinem Scheck in Höhe von 125.000 Euro zu verdanken. Übrigens nicht das einzige großzügige Engagement für den deutschen Denkmalschutz.
Kürzer treten nach dem Herzinfarkt
So hätte es weitergehen können. Einen ersten gesundheitlichen Warnschuss erlitt Peter Dussmann im Jahr 2000. Da traf ihn bei einer Geschäftsbesprechung im Restaurant „Borchardt“ am Gendarmenmarkt ein Herzinfarkt. Mit eisernem Willen und einem speziellen Trainingsprogramm hat er sich wieder aufgerappelt. Und eingesehen, dass er fortan kürzertreten müsse.
2006 die nächste schlimme Nachricht: Bei einer MRT-Untersuchung wird Arteriosklerose diagnostiziert. „Sie haben zwei bis fünf Jahre und dann kommt was. Entweder Sie sterben oder sitzen im Rollstuhl“, sagte der Arzt. Ein Schock, den er und seine Frau Catherine von Fürstenberg-Dussmann durch Reisen und mehr gemeinsamen Lebensgenuss zu lindern versuchten.
Gleichzeitig begann Peter Dussmann, Alleininhaber des Konzerns, seine Frau auf das vorzubereiten, was näher zu rücken drohte: die Übernahme des Erbes und damit das Sagen im Unternehmen. Er hatte die Amerikanerin Catherine von Fürstenberg, Nachfahrin deutscher Einwanderer, 1980 in Beverly Hills kennengelernt, sie für ihn die Hoffnung auf eine Schauspielkarriere aufgegeben, nach der Heirat sich aber als „Hausfrau“ von allen geschäftlichen Dingen ferngehalten.
2008 das Drama in Rom. Peter Dussmann wurde von einem Schlaganfall heimgesucht. Seitdem lag er im Koma. Erst in der Charité, dann im südfranzösischen Anwesen der Familie. Er konnte außer „Ja“ und „Nein“ nichts mehr sagen. Seine Frau pendelte fortan zwischen Berlin, von wo aus sie entschlossen die Führung der Dussmann-Gruppe steuert, und dem Haus in Cap Ferrat, das einst der belgische König Leopold II. für seine Geliebte gebaut hatte, wo sie ihren Peter pflegte.
„Mein Mann hat so viele Nuancen, wie er ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ sagt. Als ich ihm von der Idee unseres Kulturkindergartens erzählte, sagte er laut ‚Nein‘. Wir haben es trotzdem gemacht und gerade den zweiten eröffnet“, erzählte sie vor einigen Monaten. Und sie hatte damit letztlich doch einen Wunsch ihres Mannes erfüllt. Der hatte schon 2007 in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ im Zusammenhang mit neuen Kundengruppen gesagt: „Das habe ich schon immer gewollt! Vom Kind bis zum Alten, also vom Kindergarten bis zum Seniorenheim.“
Das letzte Mal in Berlin war er Ende Mai. Da feierte er im Kreis von engen Freunden und Geschäftspartnern in seinem herrschaftlichen Anwesen am Zeuthener See eine Jubiläumsgala aus Anlass des 50. Gründungsjahres seines Unternehmens. Seine Kraft dafür reichte noch für ein paar Stunden. „Er hat den Abend sehr genossen und alles aufgesaugt wie ein Schwamm. In seinen Augen konnte man etwas Wunderbares sehen – ein Licht“, sagte damals seine Frau Catherine. Gäste, unter ihnen der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, der damalige US-Botschafter Philip D. Murphy und der frühere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, heute einer der wichtigsten Berater von Catherine von Fürstenberg-Dussmann, waren tief bewegt vom Wiedersehen mit dem ebenso erfolgreichen wie ehrgeizigen und auch eigenwilligen Unternehmer, der nun im Rollstuhl neben ihnen saß.
Gäste zu Tränen gerührt
Manche waren zu Tränen gerührt. In seiner Glückwunschrede vor den rund 200 Gästen sagte Wowereit: „Peter Dussmann hat nach dem Fall der Mauer die Zeichen der neuen Zeit erkannt und auf unsere Stadt gesetzt. Der Erfolg hat ihm recht gegeben. Die Dussmann Group ist mit ihrer Zentrale in der Weltstadt Berlin zu einem Weltunternehmen geworden.“
Am Donnerstag ist Peter Dussmann in einem Krankenhaus in Monaco gestorben. Zehn Tage vor seinem 75. Geburtstag.
Wie es sich für einen gewissenhaften Unternehmer gehört, hat er rechtzeitig sein Erbe geregelt. Als alleinige Eigentümer treten seine Frau und die einzige Tochter an seine Stelle. Geführt wird das Unternehmen wie bisher von einem Stiftungsrat und -vorstand.
Wann und wo Peter Dussmann beigesetzt wird, wollte das Unternehmen am Donnerstag noch nicht mitteilen.