Besonders im Berufsverkehr sind viele Berliner auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen. Die Morgenpost hat getestet, wie planmäßig Straßenbahnen, Busse und S-Bahnen in der Hauptstadt fahren.

Herbstwetter in Berlin: Die Temperaturen liegen am frühen Morgen nur noch im einstelligen Bereich, immer wieder gehen kühle Regenschauer über der Stadt nieder, abends wird es spürbar schneller dunkel. Da steigen viele Berliner vom Fahrrad und fahren lieber mit Bus und Bahn zur Arbeit, zu Geschäftsterminen oder nach Hause. Doch kann man sich auch auf die Fahrpläne und die angezeigten Zeiten verlassen? Die Morgenpost hat das am Morgen und am Nachmittag eines ganz normalen Wochentages in verschiedenen Bezirken und in unterschiedlichen Verkehrsmitteln getestet und traf auf viele genervte Fahrgäste.

Bus 188

(S- und U-Bahnhof Rathaus Steglitz–Lichterfelde, Appenzeller Straße): Es ist 7.36 Uhr, an der Hochbaumstraße in Lichterfelde wartet Roland Lucharczyk, 18, auf den 188er-Bus der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) nach Steglitz. Normalerweise sieht er über geringe Verspätungen hinweg. „Dafür habe ich immer genug Puffer eingebaut“, sagt er. Doch als an diesem Morgen der Bus ausfällt, wird auch er nervös – schließlich möchte er pünktlich an seinem neuen Arbeitsplatz erscheinen. Eine Verspätung gleich am dritten Tag wäre ärgerlich. Zumal „meist zwei Busse hintereinander fahren“, sagt er. Erst 17 Minuten später kommt schließlich der Bus.

Bus M45

(Spandau, Johannesstift–Bahnhof Zoologischer Garten): Am U-Bahnhof Rathaus Spandau stehen am Nachmittag viele Menschen an den zahlreichen Bushaltestellen. Es herrscht dichter Verkehr. Die elektronische Abfahrtsanzeige für den M37 in Richtung Staaken springt um 14.48 Uhr plötzlich zurück auf 25 Minuten Wartezeit. Unerwartet stürzt ein Regenguss vom Himmel. Das aufgestaute Wasser hat binnen kürzester Zeit Bordsteinhöhe erreicht. Der M45 in Richtung Zoo verspätet sich um fünf Minuten. Viele Fahrgäste sind froh, dass der Bus überhaupt kommt. „Radfahrer möchte ich jetzt nicht sein“, sagt eine junge Mutter, deren vierjähriger Sohn die auf den Bürgersteig spritzenden Wasserfontänen beobachtet, als der Bus schließlich beschleunigt.

Bus X11

(U-Bahnhof Krumme Lanke–S-Bahnhof Schöneweide): Um 9.47 Uhr kommt Erna Lang, 69, mit zwei schweren Einkaufstüten zur Haltestelle Carstennstraße/Ringstraße in Lichterfelde. Sie wirft einen Blick auf den Fahrplan und geht weiter. Eigentlich müsste der Bus gleich eintreffen, doch Frau Lang weiß es besser. „Da geht das Laufen schneller“, sagt sie und setzt ihren Weg trotz ihrer Gehbehinderung fort. Sie sollte recht behalten: Der Bus trifft mit acht Minuten Verspätung ein. Da die Linie im Zehn-Minuten-Takt bedient wird, müsste der nächste Bus bereits zwei Minuten später kommen. Anders als bei der S-Bahn veröffentlicht die BVG ihre Pünktlichkeitswerte nicht. Bekannt ist jedoch, dass die Bussparte regelmäßig unter den Vorgaben des Senats liegt. Die Verkehrsbetriebe verweisen darauf, dass ihre Busse wie andere Fahrzeuge auch in den vielen Staus auf den Straßen stecken bleiben. Ein weiteres Problem sind die häufig zugeparkten Busspuren, die ihnen eigentlich ein schnelleres Vorankommen ermöglichen sollen.

Bus 194

(U-Bahnhof Hermannplatz–Marzahn, Helene-Weigel-Platz): Am Hermannplatz in Neukölln bricht Mittwochmorgen schon früh Hektik aus. Fahrradfahrer fahren Slalom zwischen Fußgängern, parkende Lieferwagen nerven Autofahrer. Alle scheinen es eilig zu haben – nur die Busse lassen sich Zeit. An der Haltestelle U-Bahnhof Hermannplatz/Sonnenallee ist der Bus 194 in Richtung Marzahn für 8.28 Uhr angekündigt, doch um 8.32 Uhr stehen immer noch alle wartenden Fahrgäste an der Haltestelle. „Die Busse sind öfters verspätet“, sagt Anja Schiebert, die ihre Tochter zur Schule gebracht hat und nun wieder nach Hause nach Alt-Treptow fahren will. Weil die Anzeigetafel defekt ist, zeigt Anja Schiebert, wie man reale Abfahrtszeiten mit einem Smartphone über einen QR-Code auf dem Fahrplan-Aushang abfragen kann. So erfährt sie dann, dass der um 8.28 Uhr geplante Bus ausgefallen ist. Der nächste soll zehn Minuten später fahren, um 8.40 Uhr trifft er schließlich ein.

Bus 171

(U-Bahnhof Hermannplatz–Flughafen Schönefeld): Auch an der Haltestelle S+U Neukölln lässt der Bus auf sich warten. Michael Schüler, 60, ist auf dem Weg zur Arbeit. „Ich warte hier seit 8.45 Uhr, sagt der Büroangestellte genervt. „Eigentlich sollte der Bus um 8.49 Uhr hier sein, aber bis jetzt – nichts.“ Um 8.58 Uhr will Schüler zu einer anderen Haltestelle gehen, um nicht zu spät zu kommen. Kurz darauf rollt der 171er in Richtung Hermannplatz doch heran. Um 8.59 Uhr steigt Schüler eiligen Schrittes ein, der Bus fährt zehn Minuten später ab als geplant.

Bus M29

(Grunewald, Roseneck–U-Bahnhof Hermannplatz): Der M29 ist bei vielen Fahrgästen wegen seiner Unpünktlichkeit und des Gedränges besonders unbeliebt. An der Haltestelle Glogauer Straße wartet die Kreuzbergerin Daniella Leonadi. Auf die Frage, wann der M29 vom Hermannplatz in Richtung Roseneck denn kommen soll, antwortet die 36-Jährige: „Das weiß man nicht. Ich warte seit 20 Minuten, und es hätten in dieser Zeit schon vier Busse kommen müssen.“ Aber Leonadi bleibt gelassen. „Ich fahre seit zwei Jahren mit dieser Linie und kenne das schon. Wenigstens habe ich’s gerade nicht eilig.“ Um 16.03 Uhr kommt dann schließlich ein Bus. Ihm folgen gleich zwei weitere, fast leere M29er in Kolonne. Die „Rudelbildung“ ist ein bekanntes Problem – nicht nur beim M29, sondern auch auf dem M48 oder anderen sehr langen, quer durch die Stadt führenden Linien. Zugeparkte Busspuren oder schlecht abgestimmte Ampelschaltungen sorgen schnell dafür, dass ein Bus nicht mehr nach Fahrplan fährt. Inzwischen warten immer mehr Fahrgäste an den Haltestellen, was zur Folge hat, dass das Ein- und Aussteigen immer länger dauert. Die Verspätung wächst stetig an. Die dahinterfahrenden Busse haben kaum noch Fahrgäste und holen immer weiter auf. Schon bald fahren zwei oder gar drei Busse dicht hintereinander.

S-Bahn S75

(Stadtbahn): Im Bahnhof Jannowitzbrücke wartet ein junger Praktikant. Jeden Morgen fährt er mit der S-Bahn zur Arbeit. „Ich muss zugeben: Wenn ich zu spät komme, liegt es nicht an der Bahn, sondern an mir“, sagt der 22-Jährige. Auch diesmal fährt die S75 in Richtung Wartenberg pünktlich um 17.02 Uhr ein. Das ist nicht unbedingt Normalität. Wegen vieler technischer Mängel an den Fahrzeugen und an der Infrastruktur kommt es bei der Berliner S-Bahn immer wieder zu Verspätungen. Zuletzt lag die Pünktlichkeitsquote der S-Bahn im Juli bei 96 Prozent, damit erfüllte die Bahntochter erst zum zweiten Mal die Vorgabe des Verkehrsverbundes.

Straßenbahn M6

(Riesaer Straße–Hackescher Markt): Umsteigen auf die Straßenbahn. An der Haltestelle unterhält sich Anne-Kathrin Mietrach mit einer Freundin, die gerade zu Besuch ist. „Ich fahre jeden Tag mit der BVG. Meistens klappt das auch ganz gut“, sagt die Kundenberaterin. Auch heute fährt die M6 in Richtung Hellersdorf pünktlich nach Fahrplan um 18.22 Uhr ab.

S-Bahn

(Ringlinien): Am Bahnhof Prenzlauer Allee ist die Lage am Morgen überraschend ruhig, es gibt keine Verspätungen. Auch an der Schönhauser Allee fahren zwischen 8.02 und 8.15 Uhr alle Bahnen planmäßig ab. Die Straßenbahnlinien M2 und M10 sowie der Bus 156 haben an der Haltestelle höchstens zwei bis drei Minuten Verspätung.

Straßenbahn M10

(Nordbahnhof–Warschauer Straße): An der Endstation Warschauer Straße fahren drei Straßenbahnen kurz hintereinander ab, um 13.54, 13.55 und 13.56 Uhr. Daher geht der letzte Zug in Richtung Nordbahnhof leer aus, es steigen nur noch Menschen aus. Eigentlich wird diese Linie im Fünf-Minuten-Takt bedient. Die Pünktlichkeit der BVG-Trams leidet vor allem unter fehlenden Ampel-Vorrangschaltungen.