Am Mittwoch eröffnet im Krankenhaus Waldfriede die erste Klinik für Frauen mit Genitalverstümmelungen. Die Idee entwickelte UN-Sonderbotschafterin und Autorin Waris Dirie – die selbst beschnitten ist.
Ein ganz besonderes Krankenhaus will Waris Dirie, Ex-Model und Menschenrechtsaktivistin aus Somalia, am Mittwoch in Berlin eröffnen. Es handelt sich dabei um eine Einrichtung im Zehlendorfer Krankenhaus Waldfriede, das sich als erste europäische Klinik ganzheitlich der Probleme beschnittener Frauen widmen wird.
Waldfriede werde ein Kooperationskrankenhaus der „Desert Flower Foundation" in Berlin, teilte die Klinikleitung mit. Zur Behandlung der Frauen stünden neben spezialisierten Chirurgen auch Psychologen, Seelsorger und Sozialarbeiter bereit.
Roland Scherer, Chefarzt und Experte für Darm- und Enddarmchirurgie am Klinikum Waldfriede, sagte: „Ein minimaler Eingriff kann den Frauen helfen.“ Scherer hofft nun auf „Mundpropaganda“ in den afrikanischen Gemeinden, um das Zentrum bekannt zumachen. Offen werde in den Gemeinden darüber nicht gesprochen, das Thema sei tabu.
125 Millionen Frauen leiden an Folgen von Genitalverstümmelung
125 Millionen Frauen weltweit leiden an den Folgen der weiblichen Genitalverstümmelung. Je nach Ritus werden jeder Gang zur Toilette und jeder Geschlechtsverkehr zur Qual. Werden Frauen schwanger, müssen sie mit enormen Komplikationen bei der Geburt rechnen. Bei der Genitalverstümmelung von Mädchen oder Frauen (FGM, Female Genital Mutilation) werden die äußeren Geschlechtsorgane teilweise oder ganz entfernt. Dies tun rituelle Beschneiderinnen mit Messern, Rasierklingen oder Glasscherben, meist unter unhygienischen Bedingungen und ohne Narkose. Etwa 15 Prozent der Frauen wird der Genitalbereich bis auf eine winzige Öffnung zugenäht. Zum ersten Geschlechtsverkehr oder zur Entbindung muss diese Naht wieder geöffnet werden.
Einem Bericht des UN-Kinderhilfswerkes UNICEF zufolge ist die Zahl der Betroffenen insgesamt zwar rückläufig. Doch in Ländern wie Dschibuti, Guinea, Somalia oder Ägypten werden weiterhin mehr als 90 Prozent der Mädchen beschnitten. Die FGM kommt traditionellerweise in 28 Ländern Afrikas, im Süden der Arabischen Halbinsel und einigen Ländern Asiens vor.
„Wüstenblume“-Autorin Dirie hatte Idee für Zentrum
Die Idee für das Zentrum im Klinikum Waldfriede, das europaweit die einzige Anlaufstelle dieser Art ist, geht auf die UN–Sonderbotschafterin Waris Dirie zurück. Dirie, die selbst beschnitten ist und ihre Erlebnisse in dem Buch „Wüstenblume“ beschrieben hat, engagiert sich mit der „Desert Flower Stiftung“ gegen weibliche Genitalverstümmelung. Einige Krankenkassen übernehmen die Behandlung für in Deutschland versicherte Frauen. Die Therapie für diejenigen, die aus dem Ausland anreisen, wird über Spenden finanziert. Ein Eingriff kostet bis zu 10.000 Euro.
Auch in Deutschland schicken Eltern ihre Töchter zur Beschneiderin. Hilfsorganisationen wie „Terre des Femmes“ gehen von mehr als 6000 Mädchen aus, die akut davon bedroht sind. Der Organisation zufolge leben in Deutschland mehr als 20.000 beschnittene Frauen. Der Bundestag hat nun ein Gesetz verabschiedet, das weibliche Genitalverstümmelung mit Haftstrafen zwischen einem und 15 Jahren ahndet.
mit epd