Er komme sich manchmal vor wie ein Filmstar, schrieb Lukas B. vor wenigen Wochen einem Bekannten über Facebook. Weil er größer sei als die meisten Menschen hier und hellere Haut habe, würden ihn Einheimische ständig um ein gemeinsames Foto bitten – als wäre er eine Attraktion.
Es sind die beschwingten Sätze eines jungen Mannes, den das Reisefieber gepackt hatte. Als er diese Eindrücke als persönliche Nachricht über Facebook schrieb, blickte Lukas B. auf ein spannendes Jahr in Indonesien zurück, sagt sein Bekannter.
Lukas B. war gereist und hatte als Aushilfslehrer für Englisch gearbeitet. Wie viele junge Menschen, die begeistert sind von der ersten langen Reise ihre Lebens, schmiedete er neue Pläne. Australien oder Brasilien waren offenbar die nächsten Ziele.
Doch dann geschah das, worüber viele in seinem Bekanntenkreis derzeit nur sagen können: „Mit so etwas rechnet man einfach nicht.“
Gepanschter Whiskey in Hotelbar?
Wie es aussieht, feierte Lukas B. mit seinem Bruder Felix, der zu Besuch gekommen war, seinen Abschied in der Millionenstadt Semarang auf Java. Acht Tage später wollte er nach Hause fliegen. Alkohol gibt es im muslimischen Teil Indonesiens nicht überall, und so gingen die Freunde in die Bar eines Hotels. Auch wenn die Polizei den Verdacht nicht bestätigt hat: Offenbar tranken die Brüder dort gepanschten Whiskey, der Methanol enthalten haben könnte. Mit ihnen waren sechs Einheimische in der Bar. Vermutlich tranken sie keinen Whiskey.
Die Symptome einer solchen Vergiftung beginnen wie ein normaler Alkoholrausch – bleibt sie unbehandelt, kann sie innerhalb von 24 Stunden tödlich verlaufen. Laut Experten können Konsumenten meist nicht riechen oder schmecken, ob der Alkohol gepanscht ist. Das erinnert an das Jahr 2009, als in der Türkei drei Schüler aus Lübeck starben. Sie hatten auf einer Klassenfahrt gepanschten Wodka getrunken
Bereits kleinere Dosierungen sind gefährlich, es kann also sein, dass die Brüder gar nicht viel getrunken haben. In seiner Schulzeit ist Lukas B. nicht durch exzessives Verhalten aufgefallen.
„Ich kenne niemanden, der Lukas nicht mochte“, sagt eine Mitschülerin, die vor einem Jahr mit ihm im Schulchor war. Gemeinsam sangen sie Werke von Mozart oder Beethoven, aber auch Soulklassiker wie „Hit the Road Jack“, der Song, der Ray Charles berühmt machte. „Lebensfroh. Lustig. Viele Freunde.“ Das sagen Mitschüler über Lukas.
Blumen und Fotos, Kerzen
Vor dem Rheingau Gymnasium in der Schwalbacher Straße liegen Blumen und Fotos, Kerzen wurden aufgestellt. Hier hat Lukas B. im vergangenen Jahr sein Abitur abgelegt. Immer wieder kommen Schüler vorbei und schauen auf die Bilder. Fast alle erinnern sich an den Jungen aus der oberen Klasse. Die Bilder zeigen einen lässigen jungen Mann mit viel Humor. Da posiert er mit aufgesteckten Hasenohren in Deutschlandfarben, vermutlich zu einem Fußballspiel. Ein Mädchen hat ein Foto der beiden ausgedruckt, sie werfen Luftküsse in die Kamera.
Ein Bild zeigt auch die Petronas Towers in Kuala Lumpur, Malaysia. Dort hatte Lukas B. im vergangenen Jahr sein Visum verlängert. Ein junger Mensch, der die Welt für sich entdeckt. Auf seiner Facebook-Seite finden sich viele Bilder, die voll sind von dieser Magie. Aufnahmen, die zeigen, dass er gut angekommen war in der Ferne. Offenbar hat er auch eine Zeit in einem Kloster verbracht. Indonesien ist ein Land, das Reisende verzaubert, wenn sie tief eintauchen. Auf einem Bild schaut Lukas über die Berge in die Ferne.
Der 19-Jährige arbeitete für die Organisation Dejavato, sie beschreibt sich als „non-profit Organisation für Frieden, internationales Verstehen und Solidarität“. und bietet zahlreiche Programme an. Er hatte sich entschieden, ein ganzes Jahr in Indonesien zu bleiben.
Lukas B. ist bereits Mitte vergangener Woche in einer Klinik auf Java gestorben. Er sei am Morgen nach der Abschiedsfeier noch schwimmen gegangen, sagt ein Freund vor Ort. Dann habe er ihn mittags in seinem Zimmer gefunden, in schlechtem Zustand. Mit Nasenbluten und einer Kopfwunde, vermutlich von einem Sturz, wurde er auf die Intensivstation gebracht.
Sein Bruder Felix B. saß bereits im Flieger nach Hause, in Richtung Zwischenhalt in Katar, als die Symptome der Vergiftung schlimmer wurden. Er lag noch einige Tage im Koma in einem Krankenhaus in Doha (Katar). Dort starb er. Ein Teil der Angehörigen ist nun in Indonesien, ein anderer in Katar, um die verstorbenen Söhne nach Hause zu holen. Laut Auswärtigem Amt werden sie von den deutschen Botschaften betreut.
Indonesische Medien hatten zunächst darüber spekuliert, der Jugendliche sei an einem Herzinfarkt gestorben. Sicher ist, dass Lukas B. ein trainierter Sportler war. Er ruderte gern und feierte Erfolge bei Sportwettbewerben in der Schule. Sein Bruder Felix B. spielte lange Zeit Handball im Verein.
Mehrfach Todesfälle in Indonesien
In Indonesien hat es mehrfach Berichte über Todesfälle durch gepanschten Alkohol gegeben. Das liegt wohl auch daran, dass Alkohol in dem muslimisch geprägten Land vergleichsweise teuer ist und es viele Schwarzbrennereien gibt. Im August 2011 starb eine Lehrerin aus Aachen, die Cocktails getrunken hatte. Das Auswärtige Amt rät zu „erhöhter Vorsicht“. Reiseveranstalter empfehlen, „dass die Gäste den Alkoholgenuss auf die Hotelbars beschränken und keinen Alkohol von Einheimischen kaufen“.
Tomas Jelinek vom Centrum für Reisemedizin (CRM) sagt, entscheidend sei eine schnelle Behandlung im Fall einer Vergiftung, um den Abbau des Methanols in giftige Metaboliten zu hemmen. Etwa zwölf bis 24 Stunden nach einer Vergiftung komme es zu Bewusstseinsstörungen, Erblindung, Leber- und Nierenschädigungen oder gar Herz- oder Atemstillstand.
Vor wenigen Tagen hatte Lukas weitere Nachrichten über Facebook an seine Freunde geschickt: die Ankunftszeit seines Fliegers in Berlin, man treffe sich am Flughafen. Sie hatten sich schließlich ein Jahr lang nicht gesehen.