Bereits Anfang des Jahres 2013 ließ Michael Zahn durchblicken, das von ihm noch einiges zu erwarten ist. „Der deutsche Wohnungsmarkt hat genügend Potenzial für größere Strukturen“, sagte der Vorstandschef der Deutsche Wohnen AG im Interview mit der Morgenpost. Man habe zudem die Mittel um zu wachsen, „wenn sich die richtige Gelegenheit ergibt“.
So sagte es der Manager im Januar. Nun sieht er offenbar die Gelegenheit gekommen. Zahns Deutsche Wohnen, in der unter anderem die Berliner Gehag steckt will sich den Konkurrenten GSW einverleiben. Damit entstünde ein neuer Immobilienriese mit Sitz in Berlin, dem mehr als jede 20. Wohnung in der Hauptstadt gehört.
Gelingt das Geschäft, wäre das die größte Fusion zweier Immobilienunternehmen seit Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008. Stimmen die Deuwo-Aktionäre der dafür notwendigen Kapitalerhöhung am 30. September 2013 zu, könnte ein Wohnungskonzern mit einem Börsenwert von vier Milliarden Euro in der Hauptstadt entstehen.
Aktuell käme das fusionierte Unternehmen in Europa auf Platz vier. Mit 150.000 Wohnungen wäre die neue Deuwo zugleich das zweitgrößtes börsennotierte Branchenunternehmen in Deutschland. Nur Konkurrent Annington ist mit 180.000 eigenen und 30.000 verwalteten Wohnungen noch größer. Nach einer Fusion hätte der neue Immobilienkonzern 5,5 Prozent aller Berliner Wohnungen in seinem Besitz.
Chancen für das Geschäft stehen nicht schlecht
Das Angebot der Deuwo sieht vor, dass GSW-Aktionäre für 20 Anteilsscheine 51 neue Deuwo-Papiere erhalten sollen. Die Chancen für das Geschäft stehen nicht schlecht. Schließlich sind 40 Prozent der Deuwo-Investoren, meist Fondsgesellschaften, auch bei der GSW engagiert. Das Angebot für die GSW-Aktionäre ist angesichts eines Aufschlags von 15,4 Prozent zum Durchschnittskurs der letzten drei Monate zudem attraktiv. Aussichtsreiche Gegenofferten seien, wie es hieß, nicht zu erwarten. Mindestens 75 Prozent der GSW-Aktionäre müssen ihre Anteile tauschen.
Taktisch hat Zahn seine Offerte geschickt platziert Die GSW ist nach einer Investorenrevolte geschwächt. Aktionäre hatte im Juni Vorstandschef Bernd Kottmann und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Eckart John von Freyend das Vertrauen entzogen hatten. Wie zu hören ist, hatte man bei der GSW durchaus mit einer Offerte von Deuwo-Chef Michael Zahn gerechnet. Aber der Zeitpunkt kam wohl überraschend.
Die Börse feierte die angestrebte Übernahme der GSW. Aktien des Unternehmens verteuerten sich zeitweise um bis zu zehn Prozent. Die Deuwo-Titel gaben hingegen um fünf Prozent nach. „Die Kombination passt, ein geschickter Zeitpunkt“, kommentierte Analyst Georg Kanders vom Bankhaus Lampe.
Die Deutsche Wohnen will für den Deal rund 1,8 Milliarden Euro ausgeben. „Mit einem Zusammenschluss von Deutsche Wohnen und GSW bündeln die beiden Unternehmen ihre Stärken und schaffen ein auch im europäischen Maßstab führendes Unternehmen“, sagte Deutsche-Wohnen-Chef Zahn am Dienstag in einer Telefonkonferenz. Überhaupt nicht triumphierend, eher mit leisen Worten verkündete er die Pläne. Der Zusammenschluss sei sinnvoll und logisch, zumal beide Unternehmen ihre größten Bestände in Berlin hätten. Von den insgesamt 150.000 Einheiten befinden sich immerhin rund 110.000 in der Hauptstadt. Die jährlichen Synergien bezifferte Zahn mit 25 Millionen Euro. Außerdem sei eine Steigerung des operativen Ergebnisses (FFO) je Aktie im mittleren einstelligen Prozentbereich möglich. Der fusionierte Konzern kann in der Hauptstadt auch Verwaltungseinheiten straffen und Kosten sparen. Ein größerer Arbeitsplatzabbau ist nicht zu erwarten, hieß es aus Unternehmenskreisen. Als problematisch werden etliche Doppelfunktionen im Management angesehen.
Die GSW wird an der Börse aktuell mit 1,77 Milliarden Euro bewertet, der fusionierte Konzern wäre 4,1 Milliarden Euro wert – ein Schwergewicht zwar, aber noch nicht schwer genug, um kurzfristig in den Dax aufzusteigen. Geht alles glatt, soll die Übernahme nach kartellrechtlichen Prüfungen im ersten Quartal 2014 abgeschlossen sein.
Die Deuwo ist schon länger auf Einkaufstour: 2012 waren 24.000 Wohnungen der Baubecon-Gruppe dazugekommen. Im Jahr 2007 hatte der Konzern die Berliner Gehag übernommen.
Die GSW, die seit längerem wegen ihrer vergleichsweise geringen Größe als Übernahmekandidat gilt, wurde offenkundig von dem Vorstoß überrascht: Der Vorstand habe die Ankündigung „zur Kenntnis genommen“ und werde die Offerte nun in Ruhe prüfen, teilte der Konzern vier Stunden nach Bekanntwerden des Kaufangebots mit. Im Moment ist die GSW ohnehin noch mehr mit sich selbst beschäftigt – die Suche nach einem Nachfolger für Vorstandschef Kottmann läuft auf Hochtouren. Die Personalquerelen überschatten das eigentlich florierende Tagesgeschäft.
Alleiniger Firmensitz der „neuen“ Deutschen Wohnen soll Berlin sein, bislang war Frankfurt das zweite Standbein. Welche Rolle der Standort der heutigen GSW-Zentrale in der Kochstraße künftig spielen wird, ist dabei offen.
5,1 Milliarden Euro
Die Deutsche Wohnen AG hatte zur Jahresmitte 89.441 Wohnungen sowie rund 1100 Gewerbeeinheiten im Bestand. Von den Wohnungen befanden sich 54 Prozent in Berlin und zehn Prozent im Rhein-Main-Gebiet. Das Portfolio – der Wert aller Wohnungen – wurde zuletzt mit 5,1 Milliarden Euro bewertet. Eine Tochterfirma betreibt außerdem Alten- und Pflegeheime in fünf Bundesländern. Das heutige Unternehmen entstand 2007 aus dem Zusammenschluss der alten Deutsche Wohnen AG, einer ehemaligen Tochter der Deutschen Bank, und der 1924 gegründeten Berliner Gehag-Gruppe. Deutsche Wohnen hat bislang noch ihren offiziellen Sitz in Frankfurt in Frankfurt am Main und ihre Hauptniederlassung in Berlin, wo Vorstandschef Zahn residiert.
Die GSW besaß Mitte dieses Jahres in Berlin 57.988 Wohnungen und 977 Gewerbeeinheiten. Sie wurden zuletzt an der Börse mit 3,3 Milliarden Euro bewertet. Sie wurde 1924 in Berlin als städtische Wohnungsbaugesellschaft gegründet. Im Zweiten Weltkrieg wurden viele Wohnungen zerstört, durch die Teilung der Stadt verlor die GSW dann fast die Hälfte ihres Bestandes. Nach dem Mauerfall erhielt sie Anfang der 90er Jahre einen Großteil ihrer Wohnungen im Ostteil Berlins zurück. 2004 verkaufte das Land die GSW an die Finanzinvestoren Whitehall und Cerberus. Nach Umwandlung in eine Aktiengesellschaft ging der Konzern 2011 an die Börse.
Schon seit längerem ranken sich Übernahmegerüchte um die GSW. Es soll auch immer mal wieder in der Vergangenheit Gespräche mit der Deutschen Wohnen über einen Zusammenschluss gegeben haben. Der Aktionärsaufstand im Juni war im Rückblick wohl so etwas wie ein Todesstoß für die Eigenständigkeit des Konzerns. Damals hatten ausländische Investoren über das alte Netzwerk deutscher Immobilienmanager gesiegt. Der Vorwurf lautete auf Vetternwirtschaft bei der Kür von Bernd Kottmann zum GSW-Chef. Im März verkündete der damalige GSW-Chef Zinnöcker überraschend seinen Abgang zum Konkurrenten Gagfah. Sein Weggang Zinnöckers wirkt nun wie der Anfang vom Ende der GSW.