Berlin-Hellersdorf

Wowereit kritisiert Demonstrationen gegen Flüchtlingsheim

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J. Anker, A. Gandzior, S. Pletl und J. Schapira

Foto: dpa

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hat das neue Flüchtlingsheim in Hellersdorf verteidigt und die Proteste dagegen kritisiert.

Die Proteste gegen und die zeitgleichen Sympathiebekundungen für das Asylbewerberheim in Berlin-Hellersdorf halten an. Auch am zweiten Abend nach Einzug der ersten Flüchtlinge in das umstrittene Asylbewerberheim kam es zu Demonstrationen.

Die rechtsextreme NPD hatte zu der Kundgebung „Nein zum Heim“ aufgerufen. Zeitgleich wollte die SPD-Marzahn für ein friedliches und nachbarschaftliches Zusammenleben im Kiez werben.

Am Dienstagabend hatten sich rund 40 Rechte am Alice-Salomon-Platz versammelt, um gegen das Heim zu protestieren. Ihnen standen ungefähr 600 linke Aktivisten, Anwohner, Nachbarn und Unterstützer des Flüchtlingsrates gegenüber. Im Einsatz waren 250 Polizisten.

Es gab sieben Festnahmen

Bis zum Abend gab es nach Polizeiangaben insgesamt sieben Festnahmen wegen Landfriedensbruch und Verstoß gegen das Vermummungsverbot.

Die Polizei musste auch eine Anzeige wegen Körperverletzung aufnehmen. Bei dem Versuch einer Demonstrantin an der Beschallungsanlage der NPD das Lautsprecherkabel zu ziehen, wurde sie von einem NPD-Anhänger verletzt.

Wenige Minuten nach 21 Uhr endete die Versammlung, Polizeibeamte eskortierten die wenigen Anhänger der NPD zur Straßenbahn und verließen mit ihnen den Versammlungsort. Der Flüchtlingsrat berichtete am Dienstag von mindestens sechs Menschen, die das Haus schon nach kurzer Zeit aus Furcht wieder verlassen hätten.

Bereits unter Polizeischutz waren am Montag 42 Asylbewerber, unter ihnen sieben Kinder, in das Flüchtlingsheim an der Carola-Neher-Straße in Hellersdorf gezogen, am Dienstag folgten weitere 40 Flüchtlinge.

Insgesamt sollen in der Einrichtung im einstigen Max-Reinhardt-Gymnasium zunächst 200 Flüchtlinge untergebracht werden. Sie kommen überwiegend aus Syrien, Afghanistan, aus dem Iran und dem Irak. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) teilte mit, dass die Belegung der Notunterkunft schrittweise erfolgen soll.

„Da werden alle Demokraten zusammenstehen“

Politiker verschiedener Fraktionen kritisierten die Demonstrationen gegen das neue Flüchtlingsheim in Hellersdorf. „Hier versuchen rechte Demagogen, Ängste zu schüren, dafür darf es keinen Platz geben“, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nach der Senatssitzung am Dienstag. „Da werden alle Demokraten zusammenstehen.“

Sozialsenator Mario Czaja (CDU) appellierte an die Demonstranten, nicht das friedliche Zusammenleben der Flüchtlinge mit den Anwohnern zu erschweren. Gleichzeitig verteidigte er die schrittweise Belegung der Einrichtung.

Berlin werde an der gleichmäßigen Verteilung der Flüchtlinge auf das Stadtgebiet festhalten, sicherte Czaja zu. „Es gibt keine ,national befreiten Zonen’ in Berlin. Das werde ich nicht zulassen“, sagte der Politiker. Die Anwohner in Hellersdorf seien an einem friedlichen Zusammenleben mit den Flüchtlingen interessiert und würden sich nicht von „rechtsextremen Rattenfängern“ instrumentalisieren lassen.

Auch Innensenator Frank Henkel (CDU) warnte die Anwohner des Flüchtlingsheims davor, sich von Rechtsextremisten missbrauchen zu lassen. „Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, Flüchtlinge, die aus Krisenregionen kommen und Schutz und Hilfe suchen, Unterstützung anzubieten“, sagte Henkel. „Es wäre unerträglich, wenn Flüchtlinge erneut flüchten müssten, weil ihnen an manchen Orten in Berlin Hass entgegenschlägt, der von politischen Extremisten angeheizt und gesteuert wird.“

Flüchtlingsthema für Wahlkampf nutzen

An diesem Mittwoch werden Gegner und Befürworter erneut auf die Straße gehen.

Die rechtspopulistische Bürgerbewegung Pro Deutschland will das Flüchtlingsthema für ihren Wahlkampf nutzen. Ihr Motto: „Zuwanderung stoppen, Islamisierung verhindern“. Sie will am heutigen Mittwoch an fünf verschiedenen Orten in der Stadt sowie zu verschiedenen Zeiten gegen die Zuwanderung Stimmung machen.

Die SPD kündigte jeweils eine Gegenkundgebung an, die erste um 9.30 Uhr an der Hellersdorfer Straße Ecke Cecilienstraße. Auch die Linke im Bezirk und die Grünen wollen für die Solidarität mit den Flüchtlingen demonstrieren.

In der Nacht zu Dienstag hatten etwa 100 Sympathisanten des Heimes vor dem Gebäude bis in die Morgenstunden ausgeharrt. „Dort wo wir sind, haben Nazis keinen Platz“, sagten sie. Auch in der Nacht zu Mittwoch wolle man die Art der Mahnwache aufrechterhalten, sagte einer der Mitstreiter am Abend. Ein Polizeisprecher kündigte mehr Streifenfahrten und verstärkte Kontrollen vor dem Heim an. Für die Sicherheit auf dem Grundstück und im Heim selbst sorgt ein privater Wachdienst.

Ungeachtet dessen denken die Unterstützer über Möglichkeiten nach, den „Neuankömmlingen“ helfen zu können. „Wir überlegen, ob wir Heimbewohner beim Einkaufen oder auf dem Weg zur U-Bahn begleiten“, sagte eine Aktivistin. „So können wir sie vielleicht vor den Übergriffen der Rechten beschützen.“

Dora Schröter, 80, sagte: „Ich war selber auf der Flucht. Man darf die Menschen nicht von vornherein kriminalisieren. Man sollte den Flüchtlingen eine Chance geben. Das geht aber nur, wenn man sich mit ihnen engagiert.“

Neues Heim in Pankow geplant

Trotz der Proteste gegen das Flüchtlingsheim in Hellersdorf plant auch das Bezirksamt Pankow in den kommenden Wochen eine neue Flüchtlingsunterkunft an der Mühlenstraße 33. Ab Dezember 2013 sollen bis zu 220 Menschen, insbesondere aus Syrien, Afghanistan, Irak und Iran, dort eine Heimstatt finden. Damit werden in dieser Einrichtung ähnlich viele Flüchtlinge einen Platz finden wie in dem Asylbewerberheim in Hellersdorf. Das Lageso, der Bezirk und der Träger des Heims in Pankow bereiten in enger Zusammenarbeit die Einrichtung als Asylunterkunft vor.

„Diese Menschen brauchen einen Raum, wo sie auf ihrer langen Reise etwas zur Ruhe kommen“, heißt es beim Bezirksamt. Daran würden verschiedene Bereiche des Bezirksamts, der Träger der Einrichtung, das Stadtteilzentrum Pankow und die Volkssolidarität, Kreisverband Pankow, aktiv arbeiten. Die beiden größten Vermieter dieser Gegend, die Gesobau und die Erste Wohnungsgenossenschaft Berlin-Pankow eG, seien an einer guten Nachbarschaft interessiert und würden die Zusammenarbeit unterstützen.