Demonstration

Fluglärmgegner stören lautstark Wowereits Hoffest

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Joachim Fahrun

Klaus Wowereit lud zum traditionellen Hoffest ins Rote Rathaus. Unter den 3500 Gästen waren viele Prominente aus Politik und Kultur. Vor dem Gebäude demonstrierten Menschen gegen den BER.

Das Hoffest des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit hat Tradition. Dass bei dem Treffen der Berliner Gesellschaft ein ganz bestimmtes Thema im Mittelpunkt steht, allerdings ebenso: der Flughafen BER und all das Schlamassel drum herum. Vergangenes Jahr sollte das Fest am Roten Rathaus ja eigentlich unter dem Eindruck der erfolgreichen Eröffnung stehen, die dann doch kurz zuvor abgesagt worden war.

Dieses Jahr erinnerte an das Debakel vor allem eine Menschenkette von Demonstranten um den mobilen Gitterzaun, die eifrig gegen Fluglärm lärmte. „Wowi, wo sind die Milliarden?“ und „Klaus muss raus“ skandierten die Wutbürger aus dem Südosten, während sich die Eintrittskarteninhaber eilig vorbei schoben.

Mit dieser Kritik geht Klaus Wowereit inzwischen routiniert um. Und auch der Technikchef des Fughafens, Horst Amann, ließ sich das Bier schmecken, obwohl ihn einige schon vor dem Rauswurf wähnen.

Und so hätte alles gut sein können am Roten Rathaus. Nach dem Dauerregen der vergangenen Tage konnten sich die Gäste am Dienstagabend unter einem hellblauem Abendhimmel an den Ständen vorbeischieben und vor den Bühnen im Takt wippen.

Wenn nicht diese vermaledeite Volkszählung gewesen wäre, die unter den politisch interessierten Besuchern ebenfalls für Gesprächsstoff sorgte. Nur wenige konnten verstehen, wie über Nacht 180.000 Einwohner, die alle in der Stadt gewähnt hatten und für die der Senat vor allem Länderfinanzausgleich kassiert hatte, einfach verschwinden.

Thilo Sarrazin gibt ein Autogramm

Dummerweise fehlen Wowereit und seinen Senatoren nun Hunderte von Millionen Euro in der Kasse. Und so fühlte sich der Gang über das Fest ein wenig so an wie zu Zeiten des Thilo Sarrazin, als Haushaltslöcher – und wie man sie stopft – noch die wichtigsten Aufregerthemen gewesen waren.

Sarrazin selbst konnte immerhin erklären, warum die Volkszählung Berlin auch 40.000 Wohnungen gekostet hat. Es gebe keine Abrissstatistik, erklärte der Bestseller-Autor. Und er gab den Hinweis, dass man nie im laufenden Jahr sparen könne, sondern erst im kommenden. Dann gab er ein Autogramm.

Apropos Geld: Immerhin hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass das Hoffest nicht vom Senat finanziert wird, sondern von 90 Sponsoren, die sich mit eigenen Ständen präsentierten. 89.000 Euro Sponsorengeld, riefen die Demonstranten über den Zaun. Eher noch mehr, sagte einer, der es auch nicht genau weiß.

Manche Hoffest-Veteranen sagten auch, es sei leerer als sonst. Geladen waren 3500 Gäste.

Mehr Platz zwischen Spandau und Köpenick

In seiner Rede beschwor Wowereit dann die guten alten Vor-Zensus-Zeiten, als die Stadt noch einen fast ausgeglichenen Haushalt und 3,5 Millionen Einwohner hatte. „Sie sind alle weniger geworden, ohne dass sie es gemerkt haben“, flachste Wowereit, und mancher flüsterte, es gäbe ja jetzt wieder mehr Platz zwischen Spandau und Köpenick.

Leider werde die Stadt das aber am Geld merken, so der Regierende Bürgermeister, „ein herber Schlag“ sei das also. Hinzu komme: „Weniger Bevölkerung bedeutet nicht, dass weniger Probleme in der Stadt sind.“

Bier statt Schampus

Aber dann war es auch genug mit der Nachdenklichkeit: „Heute soll das Amüsement im Mittelpunkt stehen.“ Die Eingeladenen hätten sich schließlich alle um diese Stadt verdient gemacht. „Deshalb lassen sie es sich einfach gut gehen.“

Das ließen sich die Geladenen, die unter dem Motto „Berlin: Stadt der Chancen“ dabei waren, nicht zwei Mal sagen. Mit dabei waren Filmproduzent Artur Brauner und Moderator Wolfgang Lippert, Schlagersänger Bernhard Brink, GZSZ-Mime Wolfgang Bahro, Entertainerin Dagmar Frederic und Opernintendant Dietmar Schwarz.

Aus dem Bundestag kam neben den Berliner Lokalmatadoren die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast, die Welt war in Gestalt der Botschafter von Russland, Indien und Israel vertreten.

Bundeskabinett glänzt mit Abwesenheit

Große Prominenz, etwa aus Hollywood oder der Bundesregierung, glänzte durch Abwesenheit. Konnte Brat Pitt andere Verpflichtungen in der Stadt als Entschuldigung anführen, musste Wowereit das Nicht-Erscheinen des gesamten schwarz-gelben Kabinetts wohl auf den laufenden Wahlkampf zurückführen.

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) war nicht da – dabei hätte Wowereit später am Abend im Tanzgewölbe mit ihm mal Tacheles über die Konsequenzen der Volkszählung reden können. So aber blieb der versammelten Hauptstadtgesellschaft nur das, was sie schon länger tut: Sich über fehlendes Geld austauschen, kurz die verschobene Flughafeneröffnung zu bejammern und ansonsten munter zu feiern.

Wie beim Hoffest üblich nicht bei Schampus und Austern, sondern bei Bier und Currywurst.

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