Als Höhepunkt der 37. Sternfahrt des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) am Sonntag galt für die Teilnehmer die Fahrt mit dem Fahrrad über einen Teilabschnitt der Avus. Diese aber sorgte für ein mehrstündiges Verkehrschaos auf dem Messedamm in Charlottenburg, auf der Stadtautobahn rund um die Anschlussstellen sowie auf dem Kaiserdamm. Rund 1200 Radfahrer, so die geschätzte Zahl eines Einsatzleiters der Polizei an diesem Verkehrsknotenpunkt, legten den Verkehr lahm.
Tausende Autofahrer, die die Stadt nach einem Kurzurlaub und nach dem DFB-Finale wieder verlassen wollten, standen im Stau. Sie mussten über verstopfte Straßen auf andere Zufahrten umgeleitet werden. Die Wege auf die Avus waren für mehrere Stunden gesperrt. Etwas schadenfroh waren viele Autofahrer, als ein Regenschauer nach dem anderen die Radfahrer durchnässte. „Ich muss zwar warten, kann aber wenigstens im Trockenen sitzen“, sagten zwei Fußballfans aus Stuttgart. Vor ihnen lag da noch eine mehrstündige Fahrt zurück in die Heimat.
Kein Verständnis für die Fahrradfahrt über die Avus am Tag mit extremen Rückreiseverkehr hatten auch die Polizisten auf der Kreuzung. „Wie kann man denn die Autobahn an so einem Tag für Radfahrer sperren“, äußerten ein paar Beamte. „Klar doch, macht mal wie ihr wollt. Wir regeln das schon“, so ein Mitarbeiter auf der Kreuzung. „Wir stehen doch gerne hier im Regen.“
Aber nicht nur auf dem Messedamm kam es zu Verkehrsbehinderungen. Auf insgesamt 19 verschiedenen Routen kamen die Teilnehmer aus Brandenburg und Berlin. Quer durch die Stadt fuhren die Fahrradkonvois zum Umweltfestival der Grünen Liga vor dem Brandenburger Tor. Dort waren aber nur einige Tausend Radler angekommen. Viele der Teilnehmer fuhren völlig durchnässt lieber nach Hause.
ADFC kritisiert Einsparungen bei Radwegen
Der ADFC hatte rund 250.000 Teilnehmer erwartet, aufgrund des schlechten Wetters seien es rund 100.000 Teilnehmer gewesen, so die Schätzungen der Landesvorsitzenden des ADFC Eva Maria Scheel. Die Polizei nannte keine Zahlen. Das Wetter hatte deutlich weniger Radfahrer auf die Straße gelockt als im vergangenen Jahr. Laut ADFC waren es im Vorjahr rund 150.000 Radfahrer.
Mit der Sternfahrt, die als politische Demonstration angemeldet war, protestierten die Radler unter anderem für mehr Abstellmöglichkeiten und einen Ausbau der Radwege. „An vielen Stellen der Stadt sind die Radwege marode“, sagte Scheel. „Darunter leiden vor allem unsichere Radfahrer.“ Kritisiert wurde auch der Senatsplan, den Etat von rund 5,5 Millionen Euro auf 3,5 Millionen Euro zu senken. „Wir fordern den Finanzsenator auf, diese Ankündigung noch vor der Sommerpause zurückzuziehen“, sagte die Landesvorsitzende.
Es sei dringend notwendig, ein Bewusstsein für Radfahrer in der Stadt zu schaffen, sagte Michael Mayer aus Wilmersdorf. Er wartete am ICC auf den Tross, der von der Avus kam. In einem Fahrradanhänger saß sein Sohn unter einer Regenplane. „Es ist immer nur die Faulheit der Autofahrer, sich einen freien, regulären Parkplatz zu suchen“, sagte er. Lieber würden sie mal schnell in zweiter Spur halten oder auf Radwegen und Radstreifen. „Dadurch gefährden Autofahrer leichtfertig Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer.“
Über die Neue Kantstraße, die Bismarckstraße und den Ernst-Reuter-Platz führte eine der 19 Strecken zum Brandenburger Tor. Am Ernst-Reuter-Platz verabschiedete sich Gottfried Kraatz von der diesjährigen Sternfahrt. Er war mit Freunden in Lankwitz gestartet. „Wir wollten mit unserer Teilnahme an der Sternfahrt ein Statement für bessere Bedingungen für Radfahrer im Zentrum der Stadt abgeben“, sagte Kraatz.
Er ist Radfahrlehrer der Berliner Radfahrschule. „Außerdem setzen wir uns für eine Fahrradautobahn zwischen Kleinmachnow und Zehlendorf ein.“ Während der Sternfahrt wurden nach Polizeiangaben drei Radfahrer bei Stürzen leicht verletzt. Mit leichten Verletzungen musste ein Polizist in ein Krankenhaus gebracht werden. Er stürzte mit seinem Motorrad an der Hofjägerallee an der Ecke Stülerstraße in Tiergarten.
„Noch vieles verbesserungswürdig“
Bessere Bedingungen für Radfahrer war die Motivation von Nico und Robert, an der verregneten Radler-Demo teilzunehmen. Sie verdienen ihre Geld als Fahrradkuriere und fahren rund 100 Kilometer am Tag durch Berlin. Beide bescheinigen der Stadt im nationalen und internationalen Vergleich gute Radwege. „Trotzdem ist noch vieles verbesserungswürdig“, sagten sie.
„Wir hatten von Anfang bis Ende super viel Spaß“, sagten Eva Frank und René Wille. Beide sind eingefleischte Radler, die ohne Auto auskommen. „Ich steige bei jedem Wind und Wetter aufs Rad. Auch bei Schnee“, verriet Wille. Sie hatten den gesamten Weg aus Hohenschönhausen zurückgelegt.
Die Aussteller des Festes, die geduldig ausgeharrt hatten, informierten, präsentierten und verkauften alles in Sachen Bio, alternative Energie, umweltbewusstes Handeln und Stromsparen. Auch zahlreiche Politiker, wie Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), bummelten über die Umweltmeile.
Altmaier, der ebenfalls an der Sternfahrt teilgenommen hatte, eröffnete auch die Umweltmeile. Berlin attestiert der Bundesminister ordentliche Radwege, aber deutlich zu wenige Stellplätze für Fahrräder im öffentlichen Straßenland. Er selber sei seit Jahren mit dem Fahrrad in Berlin unterwegs, verriet er.