Die Kosten der Sanierung des Bettenhochhauses der Charité steigen voraussichtlich um zusätzliche 41 Millionen Euro. Der Rechnungshof wirft der Charité und dem Senat vor, „schöngerechnet“ zu haben.
Noch ehe die Sanierung des Bettenhochhauses der Charité in Mitte richtig begonnen hat, sind die Kosten in die Höhe geschnellt. Nach Einschätzung des Landesrechnungshofs werden die Gesamtkosten die genehmigten 185 Millionen Euro um 41 Millionen Euro übersteigen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung habe die Planungen genehmigt, obwohl der Planungsrahmen und die Kostenschätzung unvollständig seien. Die Sanierung des Bettenhauses wurde „schöngerechnet“, so der Rechnungshof.
Nach Ansicht der Prüfer müssten weitere Baumaßnahmen wie der Abriss der Versorgungsgebäude und die Miete für einen Interimsbau der Sanierung zugerechnet werden. Für 19 Millionen Euro sei aber „eine Finanzierung nicht nachgewiesen“. Rechnungshof-Präsidentin Marion Claßen-Beblo kritisierte, mit seiner Genehmigungspraxis habe der Senat die Rechte des Parlaments verletzt. Der tatsächliche Finanzierungsbedarf sei „verschleiert“ worden.
Die Beamten des Rechnungshofs weisen in ihrer Analyse den Beamten der inzwischen von Michael Müller (SPD) geführten Stadtentwicklungsverwaltung zahlreiche Versäumnisse nach. So habe die Behörde 2011 zwar ermittelt, dass nach dem von der Universitätsklinik vorgelegten Bedarfsprogramm von Kosten in Höhe von 192,5 Millionen Euro auszugehen sei. Sie wiesen auch auf den nicht enthaltenen Abriss und den Interimsbau hin. „Dennoch hat die Senatsverwaltung das Bedarfsprogramm im Ergebnis genehmigt“, stellen die Prüfer fest, obwohl dieses „teilweise unvollständig und zum Teil nicht schlüssig“ gewesen sei. Die Rechnungsprüfer geben die Gesamtkosten nun mit 226 Millionen Euro an.
Gravierende Fehlentscheidung
Auch bei anderen Projekten zeigten sich zum Teil erhebliche Mängel. So hat das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf die energetische Sanierung des Rathauses Zehlendorf komplett unterschätzt und dennoch kostenintensive Vorbereitungsmaßnahmen ausgelöst. Die Prüfer sprechen von „gravierenden Fehlentscheidungen“ und „Missachtung grundlegender Haushalts- und Bauvorschriften“. 2008 hatte der Bezirk die Sanierung mit 11,63 Millionen Euro angesetzt. 2010 ergab sich, dass die Arbeiten mehr als 30 Millionen Euro verschlingen würden. 2011 zog der Bezirk die Reißleine und stoppte das Projekt. Aber erst, als schon 1,5 Millionen Euro ausgegeben waren.
Überaus kritisch betrachtet der Rechnungshof auch die Straßenbahn-Pläne für die Leipziger Straße. Schon im Jahr 2000 hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zwischen Mauerstraße und Potsdamer Platz für 1,85 Millionen Euro auf 530 Metern Gleise verlegen lassen für die Linie vom Alexanderplatz zum Kulturforum. Ob diese Anlagen planungsrechtlich überhaupt zulässig sind, ist laut Rechnungshof nie geprüft worden. Auch die Wirtschaftlichkeit haben die Beamten nie nachgewiesen. Und schließlich hat Berlin ab 2009 auf dem Mittelstreifen am Potsdamer Platz, der vorgesehenen Tram-Trasse, für zwei Millionen Euro den „Boulevard der Stars“ anlegen lassen. Diese „bauliche Nutzung“ sei „nicht mit dem Straßenbahnbetrieb vereinbar“ und müsste mit zusätzlichem Aufwand zurückgebaut werden, wenn die Straßenbahn nach 2014 kommen sollte. „Ein bisschen wie Schilda“, kommentierte Landesrechnungshof-Präsidentin Claßen-Beblo.
Die Prüfer rügen auch, dass die Senatsverwaltung für Jugend und Familie zehn Jahre lang einem freien Träger 15 Millionen Euro Zuwendungen zu seinen Betriebskosten gewährte, ohne die Verwendung zu überwachen. In den vier Landesfamilienkassen, die das Kindergeld für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes gewähren, bearbeiten die Mitarbeiter deutlich weniger Fälle als in anderen Bundesländern, bleiben aber auch hinter den Vorgaben des Senats zurück. Jeder Mitarbeiter schafft nur 1034 Kindergeldfälle, während der Senat 1600 vorgesehen hat und anderswo 1900 pro Stelle abgearbeitet werden. 20 Stellen oder mehr als 800.000 Euro ließen sich hier einsparen.
Feuerwehr soll Zusatzkosten von 600.000 Euro erzeugt haben
Der Feuerwehr wirft der Rechnungshof vor, arbeitsmedizinische Leistungen nicht ordnungsgemäß vergeben und dadurch Zusatzkosten von 600.000 Euro erzeugt zu haben. Die Berliner Stadtreinigung habe für Fahrzeuge ebenfalls wegen Mängeln bei der Auftragsvergabe 100.000 Euro mehr ausgegeben als nötig.
Auch den mittleren Dienst und die Schreibstuben der Justiz hält der Rechnungshof nach einem Vergleich mit anderen Justizbehörden für überbesetzt. Von 503 Stellen seien 151 verzichtbar, was sechs Millionen Euro sparen würde. Insgesamt summiert sich die von den Rechnungsprüfern monierte Verschwendung auf 33 Millionen Euro. Hinzu kommen noch die möglichen zusätzlichen Kosten für die Charité und andere Baumaßnahmen, die die Präsidentin nicht als Schaden klassifizieren wollte.
Der Bund der Steuerzahler Berlin zeigte sich schockiert angesichts der Prüfungsfeststellungen. Der Vorsitzende Alexander Kraus forderte, Rechnungshofberichte künftig nicht mehr nur für die Schubladen des Abgeordnetenhauses zu produzieren. „Vorsätzliche und leichtfertige Verstöße gegen das Vergaberecht, wiederholte Inkompetenz bei IT-Vorhaben, Verzicht auf Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, laxe Aufsicht und fehlende Kontrollen über die Mittelverwendung durch freie Träger müssen künftig ebenso zu persönlichen Konsequenzen bei den Verantwortlichen führen wie zum Beispiel Steuerstraftaten“, sagte Kraus.