„Was soll das eigentlich?“, fragt der Ex-Kanzler. Helmut Schmidt hat kein Verständnis für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses.

Die harte Absage von Altbundeskanzlers Helmut Schmidt an den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses und der Vorwurf, Berlin lasse sich finanziell aushalten, trifft in der Hauptstadt vor allem auf Unverständnis und Verwunderung, findet von einigen Seiten aber auch Zuspruch.

In einem am Donnerstag in der Wochenzeitung „Die Zeit“ erscheinenden Interview sagt der 94-jährige Hamburger: „Die Großartigkeit, mit der in Berlin das Geld anderer ausgegeben wird, ist phänomenal. Ich prophezeie, dass das nicht mehr lange so weitergehen wird.“ Zudem äußerte der frühere SPD-Bundeskanzler eindeutige Zweifel an der Neugestaltung des Berliner Schlosses.

„Ich frage mich ganz grundsätzlich: Was soll das eigentlich?“ Und an anderer Stelle: „Ich würde es nicht wieder aufbauen. Es war ja ein preußisches Schloss, und es gibt keinen Grund, Preußen wiederauferstehen zu lassen.“ Vor allem diese Äußerung stößt bei dem Geschäftsführer des Fördervereins, der seit Jahren einen Wiederaufbau forciert, auf Verwunderung.

„Herr Schmidt hat sich offensichtlich nicht mit dem Humboldt-Forum auseinandergesetzt. Es geht nicht darum, dass wir das verketzerte Preußentum wieder aufleben lassen wollen“, sagt Wilhelm von Boddien. Ihn verwundert die Härte, sagt er, mit der der Altkanzler eifere. „Schließlich war es auch seine Partei, die dem Projekt im Bundestag mit großer Mehrheit zugestimmt hat.“

Bereits im Jahr 2002 hatte der Bundestag beschlossen, dass an die Stelle des einstigen „Palasts der Republik“ das sogenannte Humboldt-Forum treten soll. Baukosten von insgesamt 590 Millionen Euro sind geplant, von denen 478 millionen Euro der Bund übernimmt. Mittlerweile hat der Förderverein von Wilhelm von Boddien 24,5 Millionen Euro Spenden für das Projekt gesammelt.

Die Berlin-Schelte des Altkanzlers sorgt auch im Senat für Verwunderung. „Ich denke, man sollte die Worte von Schmidt nicht auf die Goldwaage legen. Er hat in seinem Leben viele kluge Sachen gesagt, aber in diesem Fall liegt er daneben“, sagt Senatssprecher Richard Meng. Berlin habe in den vergangenen Jahren sehr wohl gezeigt, „dass es mit knappen Mitteln auskommen kann“. Er wolle sich an einer solchen Diskussion nicht weiter beteiligen, so Meng.

Unterstützung von den Piraten

Die Piratenpartei hingegen begrüßt die deutlichen Worte des SPD-Mitglieds. „Ich denke nicht, dass das Projekt dem Tourismus sonderlich zugute kommen wird“, sagt Piraten-Sprecher Ben de Biel. „Außerdem muss man sich ja überlegen, was früher fertig wird: Der Flughafen oder das Stadtschloss“, sagt der Sprecher.

Der Wiederaufbau verkörpere zudem vor allem eine rückwärtsgewandte Haltung. Christopher Lauer aus der Berliner Piratenfraktion wundert sich: „Es ist ja nicht so, dass Klaus Wowereit und Helmut Schmidt in zwei verschiedenen Parteien wären. Herr Nußbaum freut sich sicher über jeden Spartipp, den er bekommen kann. Herr Schmidt muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass die Politik seiner Partei für viele Fehlplanungen in dieser Stadt verantwortlich ist.“

In dem Doppel-Interview mit der Berliner Stararchitektin Louisa Hutton wühlt Schmidt in alten Wunden der Berliner. Sich finanziell aushalten zu lassen, dass sei in Berlin die „Mentalität seit Bismarcks Krieg gegen die Franzosen, 1870/71“.

Insbesondere Schmidts Äußerungen zum Preußentum, das mit dem Stadtschloss wiederauflebe, hält Architekt Tobias Nöfer, der an der Neugestaltung von Berlins Mitte beteiligt ist, für „geballten Unsinn“. Er sieht in den Äußerungen „eine politisch doch sehr naive Reflexreaktion“. So seien die Sammlungen aus dem preußischen Kulturbesitz, die in das Humboldt-Forum sollen, Fakt und Bestände, „die zu unserer Geschichte gehören“.

Ein großes Missverständnis sei, sagt Nöfer, dass das Schloss immer nur als Ort einer autoritären Machtelite begriffen werde. „Tatsächlich spricht die ursprüngliche Ausstattung des Schlosses vor allem für eine weltoffene Kultur: Dort gab es Säle, deren Bilder sich auf die großen Kulturen der Welt bezogen.“ Publizist Wolf Siedler habe einmal geschrieben: „Das Schloss lag nicht in Berlin, Berlin war das Schloss.“