Berliner S-Bahn

Teilausschreibung wackelt - Der S-Bahn droht ein neues Chaos

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Joachim Fahrun

Foto: Wolfram Steinberg / dpa

Das Kammergericht will die S-Bahn-Beschwerde dem EuGH vorlegen. Damit gerät der Verkehr auf der Ringbahn ab 2017 in Gefahr.

Die Ausschreibung des Landes Berlin für den Betrieb des S-Bahn-Verkehrs auf der Ringbahn und auf drei Zubringerlinien ab 2017 steht vor dem Scheitern. Die zuständigen Richter am Kammergericht machten am Donnerstag deutlich, dass sie die Beschwerde der zum bundeseigenen Bahn-Konzern gehörenden Berliner S-Bahn GmbH gegen die Vergabekonstruktion dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegen werden. Damit käme der Zeitplan des Senats für das Verfahren ins Wanken. Der Fahrbetrieb auf dem Ring ist nach 2017 gefährdet.

Der Vorsitzende Richter Heinz Hawickhorst appellierte an die Landesregierungen Berlins und Brandenburgs, „dieses Verfahren neu anzufassen“ und „anders als bisher nicht jeweils an die Grenze des juristisch möglicherweise gerade noch Zulässigen“ zu gehen. „Sonst habe ich die Befürchtung, dass es eine Generation von Schulkindern gibt, für die die Ringbahn nicht existiert“, sagte der Richter. Er riet dazu, die Vergabe weniger komplex zu organisieren und so viele Konfliktpunkte wie möglich herauszunehmen.

Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) nimmt die Einwände der Richter ernst. Die Länder seien weiterhin von der rechtlichen Zulässigkeit des gewählten Verfahrensweges überzeugt, sagte Müller. Sie würden aber wegen der zu erwartenden Verfahrensdauer nun prüfen, ob und wie sie das Ziel der Sicherung der Fahrzeugqualität in der Vergabe so umsetzen können, dass die vom Gericht benannten Auslegungsschwierigkeiten bei der Anwendung der EG-Verordnung möglichst ausgeräumt werden können.

Klärung in Luxemburg könnte bis zu zwei Jahre dauern

Die europarechtlichen Fragen vor den EU-Juristen in Luxemburg zu klären würde nach Einschätzung von Kennern der Materie anderthalb bis zwei Jahre dauern. Eigentlich ging Senator Müller davon aus, 2014 den Zuschlag erteilen zu können, damit der neue Betreiber die 200 dringend benötigten neuen Viertelzüge bestellen kann. Schon bisher gilt als sicher, dass 2017 allenfalls erste Testexemplare der neuen Wagen auf der Ringbahn rollen könnten.

Europarechtlich unklar ist der Kern der gewählten Vertragskonstruktion. So sollen die Bieter ein Angebot für eine Betriebszeit von bis zu 33 Jahren vorlegen. Zudem muss sich der Anbieter verpflichten, nach Ablauf der ersten 15 Jahre die Züge weiterhin zu warten, auch wenn ein anderer Anbieter den Zuschlag für die darauffolgenden 15 Jahre bekommen sollte. Spätestens 2047 sollen alle neu angeschafften Züge sowie die Werkstätten kostenlos an die Länder übergehen.

Im EU-Recht gebe es Laufzeitbefristungen für solche Verträge, argumentierten die Anwälte der S-Bahn. Zu klären wäre bei der vom Berliner Senat gewählten Konstruktion, ob die geplante Teilung der Laufzeit in zwei Phasen zulässig sei. Die S-Bahn argumentiert, dass es mit dieser Konstruktion fast unmöglich sei, Planungssicherheit für die für die Wagen nötigen Investitionen für einen dreistelligen Millionenbetrag zu erhalten.

S-Bahn-Chef Buchner zufrieden mit Aussagen der Richter

S-Bahn-Chef Peter Buchner begrüßte die Aussagen des Kammergerichts: „Wir hoffen, dass das Verfahren in einer Weise geführt wird, dass es rechtlich nicht angreifbar ist.“ Man müsse immer an die Beschaffung der neuen Wagen denken. „Wir brauchen die neuen Fahrzeuge. Die gibt es erst, wenn der Auftrag erteilt ist.“

Der Verkehrsexperte der Berliner Grünen, Stefan Gelbhaar, sagte, der Fahrplan des Senats für die S-Bahn-Ausschreibung sei gescheitert. Eine Verzögerung durch einen langen Rechtsstreit mache es angesichts der ohnehin schon äußerst knappen Zeit unmöglich, rechtzeitig die Züge zu beschaffen. „Deswegen muss der Senat die Zugbestellung in eigenem Namen auslösen“, sagte Gelbhaar.

Der verkehrspolitische Sprecher der Linken, Ex-Wirtschaftssenator Harald Wolf, sagte, der Senat solle die Ausschreibung stoppen und ein kommunales Unternehmen für den Betrieb aufbauen. Es sei ein Fehler, die Fahrzeugbeschaffung an die Ausschreibung zu koppeln. In der Konsequenz werde die S-Bahn jahrelang nur mit eingeschränkter Leistung fahren können.