Der Berliner Bezirk Pankow stoppt ab dem 1. Januar 2013 Luxussanierungen. Mieter sollen so vor zu hohen Kosten geschützt werden.
„Kollwitz-Kiez, Erstbezug nach Luxussanierung, ein Traum für die ganze Familie“, wirbt die Anzeige. Aber die Maximalqualität in der begehrten Lage des Prenzlauer Bergs in Berlin hat ihren Preis: Für etwa 177 Quadratmeter werden 956.000 Euro aufgerufen. Plus Provision. Wer nicht gleich kaufen kann oder will, muss in Prenzlauer Berg inzwischen in jeder Wohnungsgröße Mietpreise von mindestens zehn Euro je Quadratmeter bezahlen.
Das Bezirksamt Pankow will nun den Trend zum Luxuswohngebiet vor allem im ehemaligen Arbeiterquartier Prenzlauer Berg stoppen. Künftig soll es Hauseigentümern verboten sein, bestehende Altbauten mit Fußbodenheizungen, Kaminen oder zusätzlichen Balkons zu veredeln und entsprechend zu verteuern. Und vor allem sollen nicht weiter kleine Wohnungen verschwinden, indem mehrere zu großen Einheiten zusammengelegt werden.
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„Wenn man eine Mischung im Stadtteil möchte und Angebote im unteren Preissegment, dann geht das auch über kleine Wohnungen“, sagt Pankows Stadtentwicklungsstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne). Wenn es nach ihm geht, wird die strenge Regelung für einige Gegenden bald auf ganz Prenzlauer Berg ausgedehnt, auch Teile Pankows und Weißensees möchte er einbeziehen.
Verdrängung Einhalt gebieten
Bei vielen Bürgern kommt der Plan gut an. Thorsten Leiner ist Altenpfleger. Der 37-Jährige war Ende der 90er-Jahre aus Hamburg nach Berlin an die Lychener Straße gezogen. Er findet, dass es für Auflagen „fast schon ein bisschen spät“ sei. „Ich sehe kaum noch alte Leute auf der Straße. Es wäre wichtig, dass der Verdrängung Einhalt geboten wird und Leute, die hier leben, auch hier bleiben können.“
Gleichzeitig sieht Leiner auch die Vorteile von Renovierungen. Er erlebt sie in seiner eigenen Mietwohnung. Dort jedoch geht es nicht um eine Aufwertung mit höheren Standards. „Unser Haus ist gerade eingerüstet.“ Die Eigentümer bauen neue Fahrstühle ein, erweitern die Treppenhäuser, erneuern die Fassade und stocken das Haus über seiner Wohnung um ein Geschoss auf. „Dadurch wird meine Miete um mehr als hundert Euro steigen. Aber ich spare gleichzeitig Heizkosten, weil die alten, kaputten Fenster ersetzt wurden und über mir dann jemand wohnt, der auch heizt.“
Neu ist es nicht, dass Bezirke mit den Mitteln des Baurechts versuchen, alteingesessene Mieter oder eine Sozialstruktur in Sanierungs- oder Erhaltungsgebieten vor allzu großen Veränderungen zu schützen. „Wir haben die Kriterien vereinfacht und der aktuellen Rechtslage angepasst“, sagt Klaus Mindrup, Pankower SPD-Bundestagskandidat und Bezirksverordneter. So habe der Bezirk zuletzt Klagen verloren, als er versucht habe, Fahrstühle zu verhindern oder den Anbau des ersten Außenbalkons. Darum werde jetzt ganz klar gesagt, wo die Grenzen seien, die die Struktur des Stadtteils veränderten.
Festgelegte Sondermerkmale
Im Nachbarbezirk Friedrichshain-Kreuzberg nutzt Bürgermeister Franz Schulz schon seit zwei Jahren ein ähnliches Instrumentarium, das das Baugesetzbuch vorsieht. Die Zusammenlegung von kleinen zu größeren Wohnungen sei dort nicht so ein Problem, sagt der Grünen-Politiker. Aber ohne Auflagen genehmigt werden nur Sanierungen, die nicht gemäß dem Mietspiegel höhere Mieten für die Bewohner nach sich ziehen. Zu solchen Sondermerkmalen gehören etwa Fliesen im Bad in einer Höhe über 1,80 Meter, Parkettböden oder eine eingebaute Dusche neben der Badewanne.
Kritik, er vertreibe mit den Auflagen Investoren, versteht Kirchner nicht. „Wir machen das nicht, um Investoren zu ärgern, sondern um soziale Sanierungsziele umzusetzen und die unsägliche Geschäftemacherei mit Wohnungen und Grundstücken zu beenden“, sagt der Stadtrat.
Mietanstieg von 850 auf 1400 Euro
Reiseleiter Timeon Perl hat die Entwicklung am eigenen Leibe erlebt. Den Kiez um den Helmholtzplatz musste er verlassen. Aus seiner Sicht sind die Beschlüsse des Bezirksamtes überfällig. Der 49-Jährige hatte bis 2011 mit Frau und Kind eine Zweizimmerwohnung für 530 Euro warm gemietet. „Das ist noch ein Mietpreis aus der Zeit, als der Kiez soziales Sanierungsgebiet war und unser Vermieter günstigen Wohnraum freihalten musste, weil er das Haus mit staatlichem Fördergeld saniert hatte.“
Als 2011 im selben Haus eine 100-Quadratmeter-Wohnung mit drei Zimmern frei wurde, hätten Perls sie beziehen können. Der Haken: Der Mietpreis wurde schlagartig von 850 auf 1400 Euro erhöht. „Das konnten und können wir uns nicht leisten.“ Perls wohnen nun für 820 Euro Warmmiete in einer 85 Quadratmeter großen Wohnung am Teutoburger Platz. Seinem alten Vermieter hat der gebürtige Berliner ein Schnippchen geschlagen. „Ich konnte einen Kollegen in den bestehenden günstigen Mietvertrag aufnehmen. Er wohnt jetzt in unserer alten Wohnung. So ist die wenigstens nicht teurer geworden.“
Wegen Eigenbedarf gekündigt
Nicht alle Bewohner des begehrten Stadtteils haben so viel Glück mit ihren Vermietern wie Fanni Müller. Die 27 Jahre alte Kunsthistorikerin lebt mit Mann und zwei Söhnen an der Hufelandstraße. „Unsere Miete ist seit Jahren nicht erhöht worden.“ Dennoch glaubt auch sie, dass die strengen Sanierungsvorschriften für Prenzlauer Berg zu spät kommen. „In meinem Bekanntenkreis mussten bereits einige Leute den Kiez verlassen“, sagt Müller. So sei einer Freundin wegen Eigenbedarfs gekündigt worden. „Sie ist alleinerziehende Mutter, sie hat gar keine bezahlbare Wohnung in unserem Kiez mehr gefunden und ist weggezogen.“
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