Die Bagger rücken wieder ab. Seit Monatsbeginn hatten sie in Neuköllner Kleingartenanlagen Bäume niedergerissen und Lauben platt gemacht. Erste Vorbereitungen für den umstrittenen Ausbau der Berliner Stadtautobahn – obwohl noch gar kein Baurecht besteht. Jetzt stoppte das Bundesverwaltungsgericht die sogenannten bauvorbereitenden Maßnahmen. Ein Teilsieg für die A100-Gegner – für den Senat ein Schlag ins Kontor. Autobahn-Befürworter sehen dennoch keine Vorentscheidung im A100-Streit.
Die 3,2 Kilometer lange Verlängerung der Stadtautobahn sorgt seit Jahren für erhitzte Gemüter in der Hauptstadt – zuletzt ließ sie die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen platzen, weil die Grünen den Weiterbau als „rückwärtsgewandte Betonpolitik“ ablehnten. Rot-Schwarz dagegen formulierte im Koalitionsvertrag: „Für eine wirksame Entlastung hoch belasteter Straßen in der Innenstadt und eine bessere Erreichbarkeit der Gewerbegebiete im östlichen Stadtraum gibt es zur Verlängerung der A 100 keine bessere Alternative.“
Naturschutzorganisationen und Anwohner gingen auf die Barrikaden und klagten gegen die Planfeststellung. Das 420 Millionen Euro teure Teilstück vom Dreieck Neukölln zum Treptower Park soll vor allem durch Kleingärten führen, auch drei Häuser mit 200 Wohnungen müssten abgerissen werden. Zudem befürchten die Naturschützer hohe Feinstaubbelastung und ein Verkehrschaos am Ende der Autobahn. Das Leipziger Bundesverwaltungsgericht will im Sommer 2012 über die Klage entscheiden – bis dahin darf das Land nicht mit dem Bau beginnen. Daher dürfe auch die Trasse noch nicht geräumt werden, heißt es in dem nun gefassten Beschluss.
Dass Anfang des Monats trotzdem die Bagger anrückten, ist aus Sicht des Grünen-Vorsitzenden Daniel Wesener „ein dreister Baubeginn“. Die rot-schwarze Koalition wolle mit dem Kopf durch die Wand. „Nun musste das Gericht ihr illegales Vorgehen erneut stoppen.“ Grünen-Fraktionsvorsitzende Ramona Pop sprach von einer peinlichen Niederlage für den Senat. Der Bund für Umwelt und Naturschutz sieht das Hauptverfahren in Leipzig nun völlig offen.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung reagierte überrascht: Die Arbeiten hätten „ausdrücklich nicht der Bauvorbereitung“ gedient. Im Rahmen der vorschriebenen Sicherung des Geländes seien „Maßnahmen des Naturschutzes“ bereits einbezogen worden. Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) hatte im Abgeordnetenhaus erklärt, durch die Arbeiten im Winter würden Vogelarten und andere Tiere geschützt.
Der Bau der A100 sei durch den Gerichtsbeschluss nicht infrage gestellt, erklärte die Senatsverwaltung. „Die Koalition hält an diesem wichtigen Infrastrukturprojekt fest. Das Urteil hat nach derzeitiger Einschätzung keine Auswirkungen auf den Bauzeitplan.“
Auch der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Oliver Friederici, zeigte sich entspannt. Der Beschluss bedeute nur eine „geringfügige Verzögerung“ und sei keinesfalls als Vorentscheidung im A100-Streit zu werten.
Die Autobahn-Gegner haben sich vorgenommen, „jede weitere Form vorzeitiger Verwüstung“ zu verhindern. Die Befürchtung des BUND: „Wenn der Senat jetzt anfangen würde, sein Wohnhaus auf dem Gebiet der künftigen Trasse abzureißen, wäre das fatal.“