Es ist ungemütlich an diesem Tag im Zoo, draußen sind nur wenige Grad Celsius über Null und der Wind bläst kräftig von Westen. Trotzdem steht Dagmar Radzick seit Stunden am Eisbärengehege und gedenkt des im März gestorbenen Eisbären Knut. „Knut war ein ganz besonderes Tier, das die Menschen vereint hat“, sagt sie und blickt traurig in das felsige Gehege, in dem der beliebte Eisbär einst gelebt hat. Der Medienstar wäre an diesem Montag fünf Jahre alt geworden.
Fans aus aller Welt legen seit Tagen Rosen, Bilder, Kerzen und Gestecke am Gehege nieder. „Knuti, du bleibst unvergessen“ und „Zum 5. Geburtstag singen die Engel für Dich Happy Birthday“, steht auf Zetteln, die mit Tesafilm an der Gehegemauer kleben. „Schon am Wochenende haben sich über 50 von uns getroffen und sich an Knut erinnert“, sagt Radzick. Darunter seien auch Franzosen, Finnen, Schweden, Italiener, Dänen und Südafrikaner gewesen.
„Für mich war Knut ein Mensch im Bärenfell. Er hat das Herz von so vielen Leuten berührt“, sagt die 53-Jährige und Tränen rollen über ihre von der Kälte rot gewordenen Wangen. Umso mehr ist sie enttäuscht, dass viele Erinnerungsstücke der Fans von Zoomitarbeitern weggeräumt wurden. „Gestern Abend war hier noch alles voll mit Herzen und Blumen“, sagt sie und zeigt auf die wenigen verbliebenen Rosen in der Hecke vor dem Bärenfelsen.
Wetter macht Geburtstagsgeschenke zur Gefahr
Der Zoo begründet den Abtransport mit dem trüben Wetter. „Durch den heftigen Wind sind einige Sachen durch die Gegend geflogen und haben leider eine Stolper- und Rutschfalle für Besucher dargestellt“, sagt Sprecherin Claudia Bienek. Bärenkurator Heiner Klös freut sich sogar über die Anteilnahme: Es sei schön, dass Knut als „Botschafter seiner bedrohten Tierart“ noch immer Menschen zusammenführe.
Wegen der geringen Verweildauer ihrer Aufmerksamkeiten im Zoo beschlossen Knuts Geburtstagsgäste kurzerhand, diese zum Grab des verstorbenen Knut-Pflegers Thomas Dörflein auf dem Friedhof Spandau zu schleppen. Auf einer extra angemieteten Rasenfläche neben dessen Grab hatte ein Fan auch eine überlebensgroße Kunst-Eisscholle mit Tatze und den Lebensdaten ihres Stars selbst entworfen und errichtet, berichtet Margret Löhn und zeigt Fotos von der Aktion auf einem Fotoapparat.
Knut war am 5. Dezember 2006 im Zoologischen Garten in Berlin zur Welt gekommen. Da seine Mutter Tosca das nur 810 Gramm leichte Junge verstieß, musste es die ersten 44 Tage nach der Geburt im Brutkasten verbringen. Weltweit entdeckten Presse und Fans den kleinen, mutterlosen Eisbären und seinen Pfleger für sich und bescherten dem Berliner Zoo einen Besucheransturm.
Auch Knut-Fan Radzick hat das Leben des Eisbären von Anfang an verfolgt. Damals fuhren sie und ihr Lebensgefährte jeden Monat aus ihrer Heimat Stuttgart in die Hauptstadt, um ihren Liebling zu besuchen. Selbst unter widrigsten Umständen machten sie sich auf den Weg. „Beim letzten Geburtstag von Knut war es richtig glatt, es gab einen Schneeeinbruch und auf der Autobahn ging nichts mehr“, berichtet die Patentanwaltsangestellte. Zwei Tage lang waren sie im Auto unterwegs. „Doch wir haben es noch rechtzeitig geschafft“, sagt sie und ihre Augen leuchten.
Knut stürzte vor den Augen der Besucher ins Wasser
Der Tod des Bären hat die Frau, wie auch so viele andere Fans, sehr traurig gemacht. Vor den Augen Hunderter Zoobesucher stürzte Knut am 19. März von einem Felsen ins Wasser und ertrank. Er litt an einer Gehirnentzündung. „Wir konnten nicht direkt nach Berlin kommen, haben aber die Zooverwaltung angerufen, dass diese ein Herz für uns ablegt“, erinnert sich die Stuttgarterin, während ihre Augen schon wieder feucht werden.
Um Knut für die Ewigkeit festzuhalten, kaufte sich die 53-Jährige zusammen mit ihrem Lebensgefährten sogar eine Spiegelreflexkamera. 2000 Euro habe die Kamera samt Zubehör gekostet. „Damit konnten wir Knut auch in seinem Wasserbecken fotografieren“, strahlt die Frau. Die so entstandenen 600 Bilder archivierte das Paar in einem 158 Seiten starken Bilderbuch. Der zweite Band ist schon in Arbeit.
Inzwischen haben sich auch andere Eisbären in das Leben des Paares gedrängt. „Wir haben auch Flocke und Rasputin besucht, als sie noch in Nürnberg waren“, erzählt Radzick. Knut bleibt aber für sie unangefochten die Nummer eins: „Er war ein Freund im Alltag. Sein Tod hinterlässt eine Lücke im Herzen.“