Die Bahn hat 100.000 Euro Belohnung für Hinweise ausgesetzt, mit denen die Täter der versuchten Brandanschläge ergriffen werden können. Dies teilte die Bahn am Mittwoch mit. Durch die Brandsätze, die an Gleisen und Kabelschächten gefunden wurden, haben sich seit Montag rund 2000 Züge wegen der Streckensperrungen verspätet. Die Verspätungen summierten sich auf etwa 833 Stunden. Mutmaßlich linksextreme Täter wollten mit den Attacken den Bahnverkehr lahmlegen. Nach bisheriger Kenntnis zündeten aber nur zwei Brandsätze.
Über die Verteilung der Belohnung werde nach Bedeutung der einzelnen Hinweise entschieden, hieß es weiter. Hinweise werden unter folgender Adresse entgegengenommen: Deutsche Bahn AG, Konzernsicherheit, Potsdamer Platz 2, 10785 Berlin
Die gefundenen Brandsätze auf einer Karte visualisiert
Bei den Bahnpassagieren in Berlin und Brandenburg fährt seit kurzem die Angst mit. Auf die Attacken, mit der seit Wochenbeginn gezielt die Infrastruktur der Bahn in der Bundeshauptstadt und im Umland lahmgelegt wird, reagieren viele aber auch mit Wut und Unverständnis. Zwei Brandsätze gingen hoch und richteten Sachschäden an, ein Dutzend konnte noch rechtzeitig entschärft werden. Zu den Taten bekannte sich eine bislang unbekannte linksextremistische Gruppe.
Die Brandanschläge sind der Höhepunkt linker Gewalt in der Bundeshauptstadt. Seit Monaten brennen Autos, luxussanierte Wohnungen werden attackiert und Polizeiwachen angegriffen.
Täter wollten Berlin lahmlegen
Für ihre Attacken auf die Bahninfrastruktur wählten die Täter gezielt Verkehrsknotenpunkte und wichtige Trassen: den Berliner Hauptbahnhof, die ICE-Strecke von der Bundeshauptstadt nach Hamburg und ein Schienenkreuz im Südosten Berlins. Es wurden offenbar jeweils mehrere Brandsätze deponiert, die nur nach und nach gefunden wurden.
In einem Bekennerschreiben vom Montag, das auch auf dem linken Internetforum „Indymedia“ veröffentlicht wurde, übernahm eine Gruppe, die sich „Hekla-Empfangskomitee – Initiative für mehr gesellschaftliche Eruptionen“ nennt, die Verantwortung für „Sabotagehandlungen an mehreren Kabelschächten“. Diese sollten „die Hauptstadt Berlin in den Pausenmodus“ zwingen. Mit den Attacken werde gegen den Bundeswehreinsatz in Afghanistan protestiert, heißt es in dem Schreiben. Menschen sollten nicht verletzt werden.
Bundesanwaltschaft übernimmt Ermittlungen
Die Angriffe vom Wochenbeginn erinnern an einen im Mai verübten Brandanschlag am Berliner S-Bahnhof Ostkreuz. Damals hatte eine nach dem isländischen Vulkan Eyjafjallajökull benannte Gruppe durch ein Bekennerschreiben die Verantwortung übernommen. Bei den jüngsten Anschlägen nannte sich die Organisation nach dem isländischen Vulkan Hekla, dessen Ausbruch in den vergangenen Monaten immer wieder erwartet wurde.
Die Bundesanwaltschaft hat am Mittwoch die Ermittlungen zu den Brandanschlägen an Bahnstrecken übernommen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) kündigte an, mehr Bundespolizisten nach Berlin und ins Umland an Bahnstrecken zu schicken. Die Polizeibeamten des Bundes unterstützen ihre Länderkollegen schon bei der Jagd nach Autobrandstiftern.
Seitdem die Polizei in diesem Jahr die seit mehr als 20 Jahren aufkeimende Gewalt am 1. Mai erfolgreich eingedämmt hat, brennen fast jede Nacht Autos. Über 600 sind in diesem Jahr beschädigt worden, knapp die Hälfte davon soll aufs Konto von Linksradikalen gehen. Die Fahndung gestaltet sich schwer, bis die Autos brennen, sind die Täter meist schon über alle Berge.
Politiker sprechen von Terrorismus
Erst die jüngsten Brandanschläge auf die Bahn haben aber nun eine neue Debatte über die Gefahr durch Linksextremisten entfacht. Es werden Parallelen zum Terror der Rote Armee Fraktion (RAF) in den 1970er Jahren gezogen.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sprach am Mittwoch von „verbrecherischen, terroristischen Ansätzen einer neuen Dimension“. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nannte die Attacken einen „dramatischen Weckruf“ für die Demokratie. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) wertet die aktuellen Brandanschläge auf Bahnanlagen als „Vorstufe des Linksterrorismus“.
Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), mag indes keinen Linksterrorismus neuer Qualität entdecken. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, warnte davor, die Täter in der öffentlichen Debatte politisch zu überhöhen: „Ich sehe weder Hinweise auf eine verfestigte Organisationsstruktur noch auf einen ideologischen Unterbau.“
Diese Auffassung teilt auch der Berliner Verfassungsschutz. Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid bezeichnete die Sabotageaktion als „Eigentor“ für die Täter. Für Anschläge in dieser Dimension gebe es kaum Rückhalt, weil damit „die ganz normale Bevölkerung getroffen wird“.