Ein einschlägig vorbestrafter Mann muss sich wegen mehrerer brutaler Gewalttaten vor Gericht verantworten. Sein wohl schlimmstes Vergehen: Drei Tage hatte er seine Freundin gefesselt, geknebelt und eingesperrt. Der Angeklagte schwieg zu den Vorwürfen.
Für Rachid S. gibt es offensichtlich eine Vielzahl von Möglichkeiten, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Seine diesbezüglichen Aktivitäten haben allerdings eines gemeinsam: Sie rufen früher oder später Polizei und Justiz auf den Plan. Bei beiden ist der 40-Jährige bereits seit Jahren bekannt. Auch im Moment sitzt er wegen früherer Delikte hinter Gittern. Ganz aktuell kommen jetzt weitere 19 Taten hinzu, die die Staatsanwaltschaft der Einfachheit halber zu einer Anklage zusammengefasst hat. Begangen haben soll S. die Taten zwischen Juli 2009 und April 2011. Seit Montag muss sich der Algerier wegen schweren Raubs, Erpressung, gefährlicher Körperverletzung und Betrugs vor dem Landgericht Moabit verantworten.
Wie ein Paket verschnürt
Hauptleidtragende unter allen ermittelten Opfern ist zweifelsohne die Ex-Freundin von S., die den Angeklagten im Mai 2010 in dessen Einzimmerwohnung aufsuchte. Dort soll sie zunächst mit einer Schusswaffe bedroht und so zur Herausgabe mehrerer EC-Karten und der dazugehörenden Geheimnummern gezwungen worden sein. Um zu verhindern, dass die 42-Jährige die Karten sperren lässt, habe S. die Frau dann drei Tage lang gefesselt und geknebelt in dem Raum festgehalten, heißt es in der Anklageschrift.
Für die Frau muss es die Hölle gewesen sein. Mindestens 72 Stunden lag sie, nahezu wie ein Paket verschnürt, in dem Zimmer, ohne Nahrung, Getränke oder die Möglichkeit, zur Toilette zu gehen. S. soll die Zeit genutzt haben, um sich in aller Ruhe mit den erpressten Karten an diversen Bankautomaten zu bedienen. Zum absoluten „Glücksfall“ wurde für ihn nach Ansicht der Staatsanwaltschaft die Tatsache, dass seine Ex-Freundin auch die Konten für eine Hauseigentümergemeinschaft in Friedrichshain führte. Allein diese Konten soll er um knapp 7000 Euro erleichtert haben. Zwischenzeitlich sei S. immer mal wieder in sein Zimmer zurückgekehrt, habe die 42-Jährige allerdings nicht befreit, sondern lediglich geprüft, ob Fesseln und Knebel noch fest sitzen, trug der Anklagevertreter am Montag vor.
Immer neue Überfälle
Anderen Opfern erging es nicht wesentlich besser. Die erste der jetzt angeklagten Gewalttaten soll Rachid S. bereits im Juni 2009 in einem Lokal in Moabit begangen haben. Dort hatte am Tattag ein 71-Jähriger gerade eine größere Summe am Geldspielautomaten gewonnen. Der Senior war Zeugen zufolge überaus glücklich über die unverhoffte Aufbesserung seiner nicht gerade üppigen Rente. Kaum habe der glückliche Gewinner das Lokal verlassen, sei auch S. urplötzlich und hektisch aufgebrochen, schilderte eine Zeugin. Nur wenig später kehrte der Senior zurück und berichtete verwirrt und geschockt, er sei im Hausflur vor seiner Wohnung überfallen und beraubt worden. Zeugenaussagen und gesichertes DNA-Material brachte die Polizei schnell auf die Spur von S.
Die letzten bewaffneten Raubüberfälle vor seiner Festnahme soll S. im März und April dieses Jahres verübt haben. Im März traf es einen Swingerclub in Kreuzberg, wo das vergnügliche Treiben der Gäste durch die barsche Forderung nach Bargeld abrupt unterbrochen wurde. Im April war ein Musikcafé in Wedding das Ziel. Hier soll S. nicht nur 1500 Euro erbeutet, sondern auch die 17-jährige Tochter der Inhaberin brutal misshandelt haben.
Am 1. Verhandlungstag schwieg der bereits wegen Vergewaltigung, Körperverletzung und Raub vorbestrafte Angeklagte. Für die Aufklärung aller angeklagten Taten hat das Gericht sechs Prozesstage angesetzt. Die Urteilsverkündung ist für den 22. Dezember geplant.