Abgeordnetenhaus

Berliner Piraten dürfen im Parlament nicht alles

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Jens Anker
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Piraten streiten über Transparenz

Nach ihrem Wahlerfolg hat sich die Piratenpartei zu einer ersten ausführlichen Beratung getroffen. Noch scheint man innerhalb der Partei uneins darüber zu sein, wie man das selbst auferlegte Gebot der Transparenz handhaben wird.

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Die Piratenpartei will größtmögliche Transparenz für ihre Anhänger. Dazu gehört auch bloggen und twittern aus dem Berliner Abgeordnetenhaus. Doch das wird Grenzen haben.

Die Piratenpartei wird zwei Tage nach ihrem Sensationserfolg bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus von einer Welle der Aufmerksamkeit überrollt. „Wir werden derzeit vom öffentlichen Interesse erschlagen“, sagte Oliver Höfinghoff am Dienstag. Er ist einer der 15 Abgeordneten, die erstmals für die Piratenpartei in ein Landesparlament einziehen. „Den meisten von uns fällt es schwer, über eine Stunde hinaus zu planen“, sagte Höfinghoff.

Im Minutentakt treffen inzwischen die Anfragen aus ganz Europa in der Landesgeschäftsstelle in Mitte ein. Ob Landesparteichef Gerhard Anger am Mittwoch 45 Minuten Zeit für ein Interview mit einem tschechischen Magazin habe, lautet zum Beispiel die Frage eines Anrufers. Der Reporter würde extra aus Prag einfliegen. Anger verneint. Mittwoch sei ganz schlecht. „Wir sind vollkommen überrascht worden von dem guten Ergebnis“, bekannte auch er am Dienstag. „Nach der Listenaufstellung im März haben wir gehofft, dass wir bei der Wahl besser abschneiden als bei der Bundestagswahl. Aber mit so einem Ergebnis hat niemand gerechnet.“

Auf ihrem ersten Fraktionstreffen haben sich die 15 neuen Abgeordneten der Piratenpartei am Montagabend über ihr weiteres Vorgehen beraten. Dabei ging es vor allem um die Frage, ob sie auf zwei Abgeordnete verzichten, damit sie einen Stadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg stellen können. Weil einige ihrer Kandidaten sowohl auf der Bezirksliste als auch auf der Landesliste antraten, müssen sie sich jetzt entscheiden, ob sie in die Bezirksverordnetenversammlung oder das Abgeordnetenhaus einziehen. Ein doppeltes Mandat ist nach der Landeswahlordnung nicht möglich. Die Partei will jetzt ausloten, ob sie in Zusammenarbeit mit der Linkspartei den Bezirksposten retten kann. „Wir haben die Linke deswegen zu Gesprächen eingeladen“, sagte Fabio Reinhardt, der einer der drei betroffenen Abgeordneten ist. Dabei soll besprochen werden, ob man sich auf einen gemeinsamen Wunschkandidaten einigen könne.

Ebenfalls noch nicht entschieden ist, wen die Partei als Fraktionsvorsitzenden einsetzt. „Wir prüfen erst mal, ob wir überhaupt einen brauchen“, sagte Fabio Reinhardt. Die Frage des Fraktionsvorsitzes und der -satzung wollen die Piraten am Donnerstagabend besprechen. Dann treffen sie sich zu einer zweiten Fraktionssitzung.

Die Berliner Piratenpartei hatte bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus laut dem vorläufigen Endergebnis überraschend 8,9 Prozent erhalten. Damit ziehen alle 15 auf der Landesliste aufgestellten Kandidaten ins Landesparlament ein. Das zweite Treffen am Donnerstag wollen die Piraten zum ersten Mal in ihrem provisorischen Fraktionsraum im Abgeordnetenhaus abhalten. In den wenigen freien Minuten studieren die Neu-Parlamentarier bereits die Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses und das Fraktionsgesetz. „Wir alle haben wenig Erfahrung mit der Parlamentsarbeit“, sagt Susanne Graf, die einzige Frau auf der Liste der Piraten und mit 19 Jahren künftig jüngste Abgeordnete im Berliner Parlament.

Ihrem Anspruch nach mehr Transparenz folgend, hat die Partei inzwischen ein Protokoll ihrer ersten Fraktionssitzung vom Montagabend ins Internet gestellt. Demnach zeigen sich erste Differenzen darüber, wie transparent die eigenen Diskussionen künftig dargestellt werden.

In der ausführlichen Debatte lehnten es einige der Piraten ab, auch die internen Sitzungen mit Bild und Ton live im Internet zu übertragen. Der 27 Jahre alte Abgeordnete Christopher Lauer sagte dem Protokoll zufolge: „Ich halte es für wichtig, einmal ein Treffen zu haben, wo wir wirklich wissen, da können wir offen miteinander reden.“ Besser sei es, danach die Ergebnisse zusammenzufassen. Es gab zustimmende Beiträge, wie von Heiko Herberg: „Ich fände es toll, wenn wir uns einfach auch mal allein unterhalten dürfen, ohne dass alle ihren Senf dazugeben“, sagte Herberg.

Ende und Raucherpause

Andere Piraten signalisierten Ablehnung. Gerwald Claus-Brunner, der auch im Parlament nicht auf seine blaue Latzhose verzichten will, widersprach: „Wir sind erwachsen genug, dass wir uns trauen können, das gleich live zu streamen. Wenn dann Klartext geredet wird, muss man erkennen, wo der letzte Punkt ist, der nicht überschritten werden darf. Nicht mit mir das Ding.“ Eine Lösung konnte am Abend nicht hergestellt werden. Abschließend vermerkt das Protokoll, dass es den 15 Kandidaten überlassen werde, eine endgültige Regelung zu finden. Die Debatte endet mit dem Vermerk: „C. Lauer: Pause machen und rauchen.“

Unterdessen hat die Verwaltung des Abgeordnetenhauses darauf hingewiesen, dass das Senden von Twitter- oder Blogeinträgen strafrechtliche Konsequenzen haben könne. Die Piraten haben angekündigt, im Internet zu bloggen, was sie in den Plenar- und Ausschusssitzungen erleben. Einzelne Tagesordnungspunkte könnten aber nicht-öffentlich sein oder sogar Geheimes enthalten, etwa zu polizeitaktischen Fragen oder Vermögensfragen, sagte ein Sprecher des Abgeordnetenhauses. Falls ein Abgeordneter davon etwas in die Öffentlichkeit trage, werde er sich strafbar machen. Der Großteil der Plenar- und Ausschusssitzungen ist dagegen öffentlich.

( mit dapd )