Der Verbleib von Thilo Sarrazin hat der Berliner SPD nicht geschadet. Im Gegenteil: In der Gunst der Wähler konnten die Sozialdemokraten deutlich zulegen – und sind in der jüngsten Umfrage wieder an den Grünen vorbeigezogen.

Die Berliner SPD hat den Streit um den Parteiausschluss des früheren Finanzsenators Thilo Sarrazin unbeschadet überstanden. Im ersten Berlin Trend nach dem kurz vor Ostern gescheiterten Parteiausschlussverfahren konnten die Sozialdemokraten in der Gunst der Berliner Wähler sogar deutlich zulegen. Eine deutliche Mehrheit von 63 Prozent der SPD-Sympathisanten erklärte, sie fänden es gut, dass Sarrazin weiterhin Mitglied der Sozialdemokraten bleiben darf.

Die SPD kommt im Mai auf 29 Prozent, das sind drei Punkte mehr als im April. Die Grünen gaben zwei Punkte an und erreichen 26 Prozent. Damit haben die beiden Parteien zum wiederholten Mal über die vergangenen Monate die Führungsposition getauscht. Die SPD liegt vier Monate vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus wieder knapp unter ihrem Wahlergebnis von 2006. Für die Grünen bedeuten 26 Prozent fast eine Verdoppelung.

Mit deutlichem Abstand folgt auf Platz drei die CDU, die wie im Vormonat auf 21 Prozent kommt. Die Linke setzt ihren Abwärtstrend fort, verliert weitere zwei Punkte und schafft noch 13 Prozent. Die FDP würde mit unverändert drei Prozent den Einzug ins Abgeordnetenhaus verfehlen. Sonstigen Parteien vereinen acht Prozent auf sich.

Für den Berlin Trend der Berliner Morgenpost und der RBB-Abendschau befragte Infratest dimap vom 6. bis 9. Mai 1003 wahlberechtigte Berliner am Telefon.

Um in Berlin zu regieren, bestehen nach derzeitigem Stand drei Optionen. Die SPD könnte mit den Grünen eine rot-grüne Koalition bilden, was derzeit die politisch wahrscheinlichste Variante wäre. SPD-Spitzenmann Klaus Wowereit könnte aber auch mit der CDU unter umgekehrten Vorzeichen das Bündnis der großen Koalition der 90-er Jahre wieder beleben. Oder Grüne und CDU finden zusammen, entwickeln eine für Deutschland neue Machtoption und verdrängen gemeinsam die Sozialdemokraten nach mehr als 20 Jahren im Senat auf die Oppositionsbänke. Das wäre ein Bündnis der Berliner Intelligenz mit den einfachen Leuten. Die Grünen sind unter Menschen mit höherem Bildungsniveau mit 38 Prozent mit Abstand stärkste Kraft, während die CDU unter Leuten mit niedrigerem Schulabschluss mit 32 Prozent vorne liegt.

Keine Aussicht auf eine Fortsetzung hat die derzeit regierende rot-rote Koalition aus SPD und Linkspartei. Die Schwäche der Linken ist auch eine der Quellen für die relative Stärke der SPD. Vor allem im Osten haben viele Wähler den Linken den Rücken gekehrt. Nach einem Verlust von drei Prozentpunkten in den östlichen Stadtteilen ist die Partei des Spitzenkandidaten Harald Wolf mit 27 Prozent nicht mehr stärkste Kraft in ihrem Kerngebiet. Stattdessen hat hier die SPD nach einem plus von vier Punkten mit 29 Prozent die Führung übernommen.

Wowereit bleibt das Zugpferd

Für die SPD spricht auch das hohe Ansehen des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit. Zwar lag der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten auch im April mit seinen persönlichen Werten deutlich vorne. Aber vor einem Monat konnte seine Partei daraus nicht ausreichend Kapital schlagen. Das hat sich nun geändert.

Mit weitem Abstand ist Wowereit der beliebteste der fünf Spitzenkandidaten. 58 Prozent zeigten sich mit seiner Arbeit zufrieden, das bedeutet nach dem Rekordwert des vergangenen Monats ein Minus von drei Punkten. Weniger oder gar nicht zufrieden waren 40 Prozent. Die leichten Einbußen kann Wowereit verschmerzen, weil auch die Konkurrenz Sympathiepunkte einbüßte. Mit Renate Künast waren 42 Prozent zufrieden (minus 2). Die Grüne muss jedoch damit leben, dass sie eine größere Zahl der Bürger, nämlich 49 Prozent, negativ beurteilt. Künast wirkt also in der Summe anders als Wowereit negativ auf die Berliner. Das gilt auch für den Landes- und Fraktionschef der CDU, Frank Henkel. 12 Prozent gaben an, mit Henkels Arbeit zufrieden zu sein. 27 Prozent hatten jedoch einen gegenteiligen Eindruck. Insgesamt ist Henkel aber noch keine echte Größe in den Augen der Berliner. 61 Prozent ist der starke Mann der Berliner Union kein Begriff.

Wirtschaftssenator Harald Wolf wird von 30 Prozent (minus 1) positiv beurteilt, 24 Prozent waren nicht mit der Arbeit des Linken-Spitzenkandidaten zufrieden. Immerhin ist sein Name 55 Prozent der Bürger bekannt. FDP-Chef Christoph Meyer hingegen kennt nur eine kleine Minderheit der Hauptstädter, entsprechend wenig Aussagekraft hat die Bewertung.

Künast bringt keine Punkte

Im Rennen ums Rote Rathaus belegen die Daten, dass die Kür der Bundestags-Fraktionschefin Renate Künast zur Kandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin bisher keinerlei positive Effekte gebracht hat. Der trotz leichter Verluste anhaltende Höhenflug in den Umfragen unterscheidet sich nicht wesentlich von dem Trend im Bund und in anderen Bundesländern. Künast als Person konnte hingegen in Berlin überhaupt nicht punkten. Würde der Regierende Bürgermeister in Berlin direkt gewählt, hätte Künast nach derzeitigem Stand keine Chance gegen den Amtsinhaber. Für den Sozialdemokraten würden sich 60 Prozent entscheiden, gegenüber April ein deutliches Plus von fünf Punkten. Künast würden nur noch 25 Prozent ihre Stimme geben. Vor vier Wochen waren es noch 30 Prozent. Noch im Herbst 2010 hätte die Grüne Wowereit bei einer Direktwahl hinter sich gelassen. Seit sie Kandidatin ist, hat Künast aber immer mehr an Boden gegenüber Wowereit verloren.