Dokumentation

ARD zeigt Film über Richterin Kirsten Heisig

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Vor acht Monaten nahm Berlins bekannteste Jugendrichterin sich das Leben – nun beleuchtet die ARD in einer Dokumentation Kirsten Heisigs Kampf gegen Gewalt und die persönlichen Hintergründe ihres Todes.

„Tod einer Richterin – Auf den Spuren von Kirsten Heisig“, heißt der 45 Minuten lange WDR-Film (ARD, 9. März 2011, 22.45 Uhr), in dem zahlreiche Kollegen, Weggefährten und Politiker wie Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) zu Wort kommen.

Kazim Erdogan von der Türkischen Männergruppe Neukölln sagt über die Nachricht von ihrem Tod Anfang Juli 2010: „Ich habe eine Stunde geweint, ununterbrochen.“ Gibran, einer der von ihr verurteilten, kriminellen Jugendlichen aus Neukölln, meint dagegen: „Wir haben sie gehasst. Sie wurde richtig gehasst. Sie war für uns schlimmer als der Teufel.“ Heisig wurde auch in Richterkreisen abgelehnt, man neidete ihr die Prominenz, die Fernsehauftritte und wies die Kritik am schwerfälligen Justizsystem zurück.

Kurz nach dem Tod der 48-Jährigen erschien ihr Buch „Das Ende der Geduld. Konsequent gegen jugendliche Gewalttäter“ - und wurde umgehend zum Bestseller. Andere Kollegen bewunderten ihre Energie und ihre neuen Ansätze, die nicht nur schnelle und konsequente Strafen beinhalteten, sondern ebenso lange Gespräche mit Eltern, Lehrern und Jugendarbeitern. Heisig wollte Kriminalität und Gewalt nicht nur bestrafen, sondern schon ihre Entstehung und die Ursachen bekämpfen.

In vor ihrem Tod entstandenen Filmaufnahmen beschreibt sie die Brutalität der Jugendgangs und ihren Einsatz für die Opfer, aber auch die mühsame und oft vergebliche Forderung nach Integration als Voraussetzung für ein Leben ohne Gewalt und Kriminalität. Ausführlich schildern Begleiter ihren kräfteraubenden Einsatz. „Allein in einem Schuljahr habe ich über 20 Veranstaltungen in den Schulen organisiert“, sagt Erdogan. „Und sie hat nie, niemals Nein gesagt.“ Buschkowsky sagt: „Sie war ein Mensch ohne Ausschalter.“ Einem Kollegen wurde „nur vom Zugucken atemlos“.

Die ständige Überlastung und Selbstausbeutung, Erschöpfungszustände, die Trennung von ihrem Mann und den zwei Töchtern sowie private und teils berufliche Einsamkeit lassen Heisig in eine depressive Stimmung sinken. Anzeichen wie eine frühe versuchte Selbsttötung, therapeutische Behandlungen und Medikamente werden nicht bemerkt, auch weil Heisig nichts nach außen dringen lässt. Der Film zweifelt weder an der Selbsttötung, noch geht er näher auf frühere Spekulationen und Verschwörungstheorien um den Tod ein. „Der Obduktionsbericht hat zu 100 Prozent sichergestellt, dass Selbsttötung vorliegt“, sagte Güner Balci, eine der Autorinnen, am Montag. Keiner der Befragten habe daran irgendeinen Zweifel geäußert.

Nicht zu Wort kommen die Eltern und der frühere Mann Heisigs – sie wollten nicht vor der Kamera sprechen. Eine Entscheidung, die auch die beiden Autorinnen gut verstehen konnten. Erstaunt bis empört kritisierten sie hingegen die Berliner Polizei. Trotz zahlreicher Interviewanfragen über Monate hinweg habe die Polizei abgeblockt und Terminschwierigkeiten vorgeschoben. So schweigen ausgerechnet die hochrangigen Vertreter derjenigen Behörde, mit der Heisig zu Lebzeiten immer eng zusammenarbeitete.

( dpa/sei )