Da war selbst Heinz Buschkowsky überrascht. Der SPD-Politiker saß im ARD-Studio bei „Beckmann“. Eigentlich sollte er sich mit Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) über die Betreuung von Kindern streiten. Doch als Buschkowsky mehr Ganztagsplätze an Schulen und eine bessere Betreuung der Kita-Kinder von Migranten forderte, sagte Schröder ständig: „Da stimme ich Ihnen zu. Da bin ich ganz bei Ihnen.“
Es sind mittlerweile viele Menschen, nicht nur in Berlin, ganz bei ihm. Bei dem Mann, der so gern damit kokettiert, nur der „Dorfschulze von Neukölln“ zu sein. Mehr Neukölln geht nicht. Dort geboren, aufgewachsen in Rudow, politisch engagiert seit 1979 – Bezirksverordneter, Stadtrat, Bürgermeister. Aber der 62-Jährige ist mittlerweile weit mehr als Neukölln. Der Politiker mit den klaren Worten ist weit über den Bezirk und auch über Berlins Landesgrenzen hinaus zum Symbol für den Kampf gegen eine falsch verstandene Integrationspolitik, gegen Missstände im Sozialwesen und für Wege aus der sozialen Misere geworden. Für die Jury der Berliner Morgenpost und von 104.6 RTL und für viele Leser und Hörer ist er der Berliner des Jahres.
„Berliner des Jahres – das ist der schönste Preis, den ein Kommunalpolitiker in Berlin erhalten kann“, sagte der Bürgermeister erfreut, der zurzeit Urlaub an der Ostsee macht. Nach der Wahl Buschkowskys hat sich der Verein „Berliner helfen“ entschieden, die notleidende Musikschule Neukölln, die dem engagierten Bürgermeister besonders am Herzen liegt, mit einer Spende über 5000 Euro zu unterstützen – damit sollen dringend benötigte Instrumente für Kinder angeschafft werden.
Welche Bedeutung der gelernte Diplom-Verwaltungswirt inzwischen in den Debatten der Republik gewonnen hat, zeigte eine Entscheidung seines Parteivorsitzenden. Sigmar Gabriel lud Heinz Buschkowky zum Sonderparteitag der SPD als Redner ein. Seine Mission: Position beziehen gegen einen anderen, der nicht mehr bei der SPD eingeladen wird, der vielmehr ausgeschlossen werden soll. Buschkowsky sollte inhaltlich gegen Thilo Sarrazins Argumente zu Felde ziehen. Dabei waren die beiden, die sehr genau das Leben in der Stadt im Blick haben, lange Zeit gemeinsam politisch unterwegs. Wie Sarrazin eckte auch Buschkowsky immer wieder in der eigenen Partei an, wenn es darum ging, den systematischen Missbrauch von Sozialleistungen durch Großfamilien und ihren Unwillen, sich zu integrieren, beim Namen zu nennen.
Natürlich ist oft auch ein Schuss Polemik mit dabei
Klartext, wie ihn Buschkowsky spricht, ist nicht immer wohlgelitten bei den Sozialdemokraten. „Ach, meine Partei“, hört man den Bürgermeister bisweilen stöhnen. Umso wichtiger wurde seine Rolle beim Zurechtrücken der Sarrazinschen Thesen. Denn die Verknüpfungen des ehemaligen Finanzsenators von genetischen Anlagen mit sozialen Problemen, ging auch Heinz Buschkowsky zu weit. In einem Brief schrieb er Sarrazin, dass sich nun die politischen Wege trennen. Aber es gehört auch zu seinem Charakter, dass er im Mainstream seiner Partei nicht mitschwimmen muss. So hält er einen Parteiausschluss von Sarrazin für einen „schweren Fehler“. Lieber will er die inhaltliche Auseinandersetzung suchen. Das ist Buschkowsky pur: Kämpfen mit Worten, mit dem gesunden Menschenverstand und auch mal mit populären Sprüchen. Deswegen ist er so beliebt als Interview-Gast in den Medien der Republik – gerade hat er es wieder in etliche Jahresrückblicke gebracht. So redet Buschkowsky:
- "Der Migrant für sich allein genommen ist kein Problem. Der sozial schwache Migrant ist eines. Der sozial schwache Deutsche übrigens auch.“
- "Manchen Politikern würde es nicht schaden, wenn sie, statt auf Integrationsgipfeln zu sitzen, hin und wieder mal mit der U-Bahn nach Rudow oder Spandau fahren.“
- "Kommt das Kind nicht in die Schule, kommt das Kindergeld nicht aufs Konto.“
Natürlich ist bei Buschkowsky oft auch ein Schuss Polemik mit dabei. Aber für diese klare Sprache lieben ihn die Neuköllner, die Berliner und inzwischen auch viele Deutsche. Denn bei allen flotten Sprüchen verliert er sein eigentliches Ziel nicht aus den Augen: eine Politik für die Menschen. Buschkowsky will etwas verändern. So war es auch bei der Rütli-Schule. Als die Lehrer einen Brandbrief an den Senat richteten, war es der Bürgermeister von Neukölln, der sich in seinen Warnungen vor zu viel Nicht-Deutsch-Sprechenden auf den Schulhöfen und den überforderten Lehrern bestätigt sah. „Multikulti ist gescheitert“, warnte Buschkowsky schon seit Jahren. Die verbale Randale um Rütli veränderte aber auch etwas. Die Schule und ihre Probleme gerieten stellvertretend für alle Schulen mit großen Migrations- und sozialen Problemen in den Fokus der Öffentlichkeit. Politiker kamen, schauten sich die Schule an. Es floss viel Geld. Jetzt steht Rütli gut da – und die Ganztagsbetreuung wird mehr und mehr zum Mittel gegen die soziale Verwahrlosung von Kindern, deren Eltern die Erziehung nicht meistern.
Ein anderes Beispiel: Buschkowsky provozierte mit dem Satz, dass Eltern vieler Kinder das Kindergeld versaufen. „Ich wusste genau, dass da die Selter hochgeht. Aber das wollte ich. Ich wollte eine Debatte über Kinder in der Unterschicht und den Unsinn des Betreuungsgeldes. Ich habe auf den pawlowschen Reflex der Öffentlichkeit gesetzt – und es hat funktioniert“, sagte er einmal. Aufmerksamkeit erregen, Aufmerksamkeit nutzen – so agiert der Politiker Buschkowsky. Er ist sehr ähnlich dem Menschen Buschkowsky, der mal rabiat sein kann, sich dann aber auch schützend vor andere stellt. Wie vor seine Mitarbeiter im Bezirksamt. Als die rechtspopulistische Vereinigung Pro Deutschland in diesem Oktober ihren Kreisverband ausgerechnet im Rathaus Neukölln gründen wollte, gab der Bürgermeister seinen Angestellten und Beamten früh frei, damit sie nicht in mögliche Krawalle mit Gegendemonstranten hineingezogen wurden. Es blieb alles friedlich – und allein er blieb im Rathaus bis alles vorbei war.
"Ich wusste genau, dass da die Selter hochgeht"
Neukölln und Buschkowsky – das ist auch irgendwie wie ein Brennglas der Probleme der Republik. Was in Neukölln passiert, ereignet sich in Wedding genauso wie in Duisburg, Gelsenkirchen oder selbst in Frankfurt/Main. Aber der Berliner Bezirkspolitiker redet über die Fehler der Einwanderung und die Probleme der sozial schwachen Schichten. Auch wenn er in der eigenen Partei dafür häufig Schelte erhalten hat, auch wenn sein Verhältnis zum linken Parteiflügel vorsichtig gesprochen angespannt ist – Buschkowsky ist der Politiker für den kleinen Mann, den, der die SPD früher so stark gemacht hat. Den Arbeiter, der morgens zur Maloche geht. Die alleinerziehende Mutter, die im Supermarkt an der Kasse sitzt. Aber auch der Politiker für den Sozialarbeiter, der längst die Realität auf den Straßen Neuköllns kennengelernt hat.
Viele Probleme sind in Neukölln geblieben. Die hohe Arbeitslosigkeit, die sozialen Verwerfungen, die Kriminalität, die Probleme mit türkischen und arabischen Clans. Häufig wird Buschkowsky vom politischen Gegner vorgeworfen, er sei nun schon seit mehr als 30 Jahren im Bezirk politisch tätig; damit sei er auch verantwortlich für die Missstände. Er hätte sie ja beseitigen können… Diesen Kritikern hält er Projekte wie die Stadtteilmütter entgegen, mit denen er direkt die türkischen und arabischen Frauen ansprechen will. Sein Wirken ist inzwischen hoch anerkannt. Im letzten Jahr wurde er mit dem Gustav-Heinemann-Bürgerpreis ausgezeichnet. Mittlerweile ist er so beliebt, dass es T-Shirts mit seinem Konterfei gibt.
In diesem Jahr wird wieder gewählt in Berlin. Als ein Parteifreund Buschkowsky zum Kandidaten für das Amt des Innensenators machte, winkte er ab. Zu politisch höheren Ämtern zieht es Buschkowsky nicht. Im Herbst will er noch einmal Bürgermeister in seinem Heimatbezirk werden: „Lieber Erster in der Provinz als Zweiter in Rom.“