Die Berliner Bezirke müssen in der Auseinandersetzung mit der rechtsextremen Partei NPD eine weitere Niederlage vor Gericht hinnehmen. Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass die Bezirke der NPD ihre Räume ohne einschränkende Klauseln überlassen müssen. Die NPD hatte gegen das Land Berlin geklagt, weil das Bezirksamt Reinickendorf die Partei vertraglich verpflichtet hatte, im Veranstaltungssaal bei ihrem Bundesparteitag im April 2009 keine antidemokratischen, rassistischen oder antisemitischen Äußerungen fallen zu lassen. Diese Einschränkungen seien unzulässig, urteilte nun die zweite Kammer des Verwaltungsgerichts.
Die NPD hatte ihren Bundesparteitag damals im Rathaus Reinickendorf abgehalten, nachdem das Verwaltungsgericht die Stadt verpflichtet hatte, den Saal zur Verfügung zu stellen. Die Nutzungsvereinbarung des Bezirks sah dabei aber die Möglichkeit eines Widerrufs vor, falls auf der Veranstaltung strafrechtlich relevantes Gedankengut verbreitet würde. Außerdem musste die Partei Beobachter des Bezirkes zulassen.
„Wir sind enttäuscht, dass die Einschränkungen als unzulässig eingestuft worden sind“, sagte der Reinickendorfer Bezirksbürgermeister Frank Balzer (CDU) dieser Zeitung. „Diese Klauseln waren für uns die einzige noch denkbare Möglichkeit, um uns gegen unliebsame Gäste zu wehren.“
Die auch als „antifaschistische Klauseln“ bezeichneten Einschränkungen waren noch im Januar als großer Durchbruch in der Auseinandersetzung mit der NPD gefeiert worden, als sich alle zwölf Bezirke darauf einigten, sie in ihren Nutzungsverträgen anzuwenden. Seit Jahren versucht die NPD, sich für Veranstaltungen bei den Bezirken einzumieten. Die sind wie alle Behörden gesetzlich verpflichtet, alle Parteien gleich zu behandeln. Die schlichte Weigerung, an die NPD zu vermieten, wurde deshalb stets vor Gericht aufgehoben. Die Nutzungsverträge – die für alle Parteien gleichermaßen gelten – sollten dafür sorgen, rechtsextreme Gruppen abzuschrecken oder zumindest die Spielregeln für die Nutzung der Räume zu diktieren. „Das ist unser demokratisches Schwert in diesem Kampf gewesen“, sagt Balzer.
Das Verwaltungsgericht kritisierte nun aber neben Unzulässigkeiten im Verfahrensrecht wieder, der Bezirk habe den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Die Behörde habe „nach ihrer hier maßgeblichen früheren ständigen Praxis Säle ohne Nebenbestimmungen überlassen“, heißt es. Der Vorbehalt verstoße gegen das Grundgesetz. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Gericht jedoch Berufung zugelassen.
Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechts, die an der Formulierung der Klauseln beteiligt war, sieht das Urteil dennoch positiv. „Zu diesem Sachverhalt gibt es bisher wenig Rechtssicherheit, jetzt können wir auf neuer Grundlage weiterarbeiten“, sagte sie dieser Zeitung. Berlin sei in dieser Sache Vorreiter. „Hier will man sich wehren und scheut auch juristische Auseinandersetzungen nicht.“ Die Klage der NPD gegen die Klauseln habe die Partei zudem entlarvt. „Dagegen zu kämpfen, sich nicht rassistisch oder antidemokratisch äußern zu dürfen, zeigt doch deutlich den Charakter dieser Partei“, sagte Klose. Man müsse jetzt über eine Modifizierung des Vertrages nachdenken.
„Wir werden uns bald wieder mit den anderen Bezirken zusammensetzen und überlegen, was zu tun ist“, sagte Balzer. „Irgendwie müssen wir uns doch gegen Straftaten in unseren Räumen wehren können!“ Es sei ein furchtbares Dilemma, in dem sich die Bezirke in dieser Sache befänden. „Wir hatten einige Zeit darauf verwendet, diesen Vertrag zu entwickeln“, so Balzer. Alle Parteien grundsätzlich von der Raumnutzung ausschließen, wolle man als letzte Möglichkeit aber nicht. „Wir dürfen uns doch nicht selbst knebeln, als wenn wir Angst vor der NPD hätten“, sagte der Bürgermeister.
Der Sprecher für Verfassungsschutz der SPD-Fraktion, Tom Schreiber, fordert nach dem Urteil, das aktuelle Mehrheitsverhältnis im Bundesrat für ein neues Verbotsverfahren gegen die Rechten zu nutzen. „Hier zeigt sich wieder: Wenn man einen sauberen Schnitt zwischen den demokratischen Parteien und der NPD machen will, hilft letztlich nur ein NPD-Verbot.“