Berlin. Im März hatten die Verkehrsminister von Bund und Ländern eine frohe Botschaft zu verkünden: die Einführung des Deutschlandtickets. Dass die Revolution im öffentlichen Nahverkehr einen Rattenschwanz nach sich ziehen würde, war angesichts vieler offener Fragen bereits damals zu erwarten. Nun hat die Einführung des 49-Euro-Tickets für Berliner Hochschulen etwas ins Rutschen gebracht. Weil das Semesterticket den Studierenden keine bedeutende Ersparnis mehr bringt, steht es an vielen Hochschulen und Universitäten auf der Kippe. Die Technische Universität (TU) und sechs weitere Institutionen machen den Anfang.
Stand jetzt können 82.597 Studierende ihr Semesterticket fürs Wintersemester 2023/24 nicht verlängern. Das geht aus einer kleinen Anfrage der Linkspartei im Abgeordnetenhaus hervor. Die Studierenden von acht der 39 Berliner Hochschulen müssten damit ab Oktober auf Vergünstigungen in Bus und Bahn verzichten. Neben der Kündigung des Vertrags mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) seitens der TU, hat auch die Leitung der Hochschule für Technik und Wirtschaft verkündet, den auslaufenden Kontrakt nicht zu verlängern. Bei zwei weiteren Hochschulen steht eine Urabstimmung laut "RBB24" kurz bevor.
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Semesterticket auf der Kippe: 49-Euro-Ticket sorgt bei Unis für Kopfzerbrechen
Vorbehaltlich eines verbesserten Angebots vom VBB plant auch die Universität der Künste (UdK) den Absprung vom Solidarmodell. Das sieht bisher vor, alle Studierenden – unabhängig vom Fortbewegungsmittel – für ein solidarisches Ticket aller Studierenden in Berlin zur Kasse zu bitten. Im Gegenzug erhalten die Berliner Hochschulen einen Mengenrabatt vom VBB, Studierende zahlten monatlich für den die Zonen ABC nur 32 Euro und damit deutlich weniger als herkömmliche Monatstickets kosteten. Bestand hatte die aktuelle Regelung seit 2017.
Bei diesen Unis und Hochschulen läuft der Vertrag mit dem VBB aus:
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Technische Universität (TU)
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Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW)
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Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR)
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Universität der Künste (UdK)
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Kunsthochschule Berlin Weißensee (KHB)
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Evangelische Hochschule Berlin (EHB)
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Katholische Hochschule für Sozialwesen (KHSB)
Über den Haufen geworfen wurde das geldsparende Solidarmodell allerdings durch die Preisrevolution im öffentlichen Nahverkehr. Mit Einführung des Berliner 29-Euro-Tickets im Januar hatte der alte rot-grün-rote Senat den Unis mit einem außerplanmäßigen Ticketzuschuss unter die Arme gegriffen und den Preis für Studierende auf 20 Euro pro Monat abgesenkt. Insgesamt rechnet das Land Berlin mit Kosten von 5,9 Millionen Euro im Jahr 2023 für die Förderung von Semestertickets. Nach Dafürhalten der Hochschulleitungen ist der gesetzlichen Vorschrift eines "preisgünstigen" Semestertickets angesichts des Deutschlandtickets nicht mehr ausreichend Rechnung getragen.
Das Gebot der "preisgünstigen" Fahrkarte steht im Zentrum der Zerreißprobe um das Solidarticket. Im Berliner Hochschulgesetz ist nicht ausdrücklich verankert, wie groß der geldwerte Vorteil für Studierende sein muss. Für die Studierenden der Berliner Hochschule für Technik stellt die gesunkene Ersparnis keinen Grund für einen Bruch mit dem VBB dar. In einer Urabstimmung sprachen sich fast 95 Prozent der Abstimmungsteilnehmer für eine Vertragsverlängerung aus. Doch auch hier regt sich Unmut. Max Schaffert, Präsident des Studierendenparlament bezeichnete das Angebot ab dem Wintersemester als "nicht fair gegenüber uns Studierenden, da das Semesterticket als Solidarmodell einen spürbaren Preisvorteil zum regulären Ticket haben sollte". Der AStA hoffe darauf, mit dem Senat und dem VBB eine bessere Lösung für die Zukunft auszuhandeln.
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Studie zeigt geringe Ersparnis: VBB reagiert unbeeindruckt
Da weder eine Verlängerung der Extra-Bezuschussung auf der Agenda des schwarz-roten Senats unter Kai Wegner (CDU) steht, noch der VBB den Hochschulen mit einem erhöhten Rabatt entgegen kommt, steht das Semesterticket nun vor dem Aus. Statt 75 Prozent Ermäßigung können Studierende nur noch mit 25 Prozent Rabatt aufs herkömmliche Monatsticket zählen, so eine Studie aus Nordrhein-Westfalen. Weil die effektive Ersparnis im Wintersemester nicht an die Studierenden weitergegeben wird, würden sich die Hochschulen mit der Fortführung des Solidarfahrscheins ohne weitere Vergünstigung juristisch angreifbar machen.
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Auf Anfrage von "RBB24" äußerte sich ein Sprecher des VBB zum massenhaft drohenden Absprung ungerührt: "Größere Auswirkungen auf den VBB erwarten wir nicht", weil "das Mobilitätsbedürfnis der Studierenden erhalten bleibt". Demnach rechnet der Verbund damit, dass viele Studierenden "in die nächstteurere Option, das Deutschlandticket, wechseln müssten".