Berlin. Was der Verzicht auf einen längeren Konflikt für den Poker um die Energie-Infrastruktur bedeutet.

Jahrelang hatte der Berliner Senat erbittert und durch viele Instanzen mit dem Energiekonzern Gasag um die Konzession für das Gasnetz gekämpft und war am Ende vor den Gerichten unterlegen. Deshalb mag es überraschend anmuten, dass das Land nun auf sein Kündigungsrecht verzichtet und die Gasag-Tochter NBB bis Ende 2027 weiter mit dem Netzbetrieb betraut. Das teilte die Senatsverwaltung für Finanzen am Donnerstagmorgen mit.

„Die Wärmewende gehört zu den wichtigsten Aufgaben Berlins – für das Erreichen der Klimaziele und um in der Energiekrise Versorgungssicherheit zu gewährleisten“, sagte Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne). Die Zukunft der Energienetze sei dabei von zentraler Bedeutung. „Zugleich schaffen wir mit der jetzt erzielten Einigung Gewissheit, dass auch in welt- und energiepolitisch schwierigen Zeiten die Wärmeversorgung mit Gas in Berlin gesichert ist“, so der Senator.

Berliner Senat plant Übernahme von Gasag und Fernwärme

Mit der Konzessionsvergabe sendet das Land ein wichtiges Signal in die Energiewirtschaft. Berlin setzt inzwischen auf Kooperation und nicht mehr auf Konfrontation mit den Konzernen, um seine energiepolitischen Ziele zu erreichen. In Senat und Koalition gehen die entscheidenden Personen davon aus, dass sie ohnehin in wenigen Monaten die Mehrheit an der Gasag übernehmen werden.

Die schon lange hinter den Kulissen laufenden Verhandlungen hatte der Senat kürzlich öffentlich gemacht. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) tat die Absicht des Landes kund, gemeinsam mit den Energiekonzernen Eon und Engie die Mehrheit an der Gasag und auch die Berliner Fernwärme übernehmen zu wollen. Adressat dieser Mitteilung war neben der Berliner Öffentlichkeit vor allem der schwedische Staatskonzern Vattenfall, der mit Eon und Engie mit einem knappen Drittel an der Gasag beteiligt ist und dem die Fernwärme mit ihren Kraftwerken komplett gehört.

Angebot soll Konkurrenz Abschrecken – Finanzielles Risiko

Vattenfall hatte im Mai mitgeteilt, man prüfe, ob man sich von der Fernwärme trennen will. Eine offizielle Entscheidung dazu ist in Stockholm noch nicht gefallen. Der Startschuss für die „Markterkundung“ wird rund um den Jahreswechsel erwartet. Vattenfall hat das Interesse, möglichst viele Interessenten zu mobilisieren, um den Preis für die zuletzt hoch defizitäre Vattenfall Wärme AG hochzutreiben.

Berlin setzt darauf, mit seinem demonstrativ vorgetragenen Kaufinteresse andere Bewerber abzuschrecken, in ein teures Übernahmeverfahren mit aufwendigen Prüfungen einzusteigen. Gegen die Stadt eine so wichtige Infrastruktur mit zahlreichen anstehenden Umbauten und hohen Investitionsbedarf zu übernehmen, könnte tatsächlich wenig attraktiv sein.

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Nachtragshaushalt schafft Voraussetzung für Millionen-Bürgschaften

Vorgesehen ist, dass Berlin zunächst den Gasag-Anteil von Vattenfall übernimmt, während Eon und Engie mit an Bord bleiben. Mit einer Kapitalerhöhung holt sich Berlin dann die Mehrheit an dem Konzern und damit auch die Kontrolle über den Gasnetzbetreiber NBB. Anschließend erwirbt die Gasag dann die Berliner Fernwärme von den Schweden, die Ende der 1990er-Jahre vom Land im Zuge des Bewag-Verkaufs privatisiert worden war. Mit dem Nachtragshaushalt erhöht die Koalition den Bürgschaftsrahmen für einen Erwerb der Gasag und Fernwärme um zwei auf nun acht Milliarden Euro.

In dieser Situation erschien es dem Finanzsenator Wesener, Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD) und der Regierenden Bürgermeisterin Giffey nicht ratsam, einen neuen Streit um die Gaskonzession vom Zaune zu brechen. In den Verwaltungen werden die wenigen Energie-Fachleute dringend für die ganz große Aufgabe benötigt, die Energieinfrastruktur gemeinsam mit den industriellen Partnern in die eigene Hand zu bekommen und die Wärmewende mit den vielen notwendigen Abstimmungen zwischen Gasnetz und Fernwärme selbst voranzutreiben.