- Deutschland hinkt anderen Ländern bei den Corona-Impfungen noch immer hinterher
- Viele Menschen wollen sich zudem nicht mit dem Impfstoff von Astrazeneca impfen lassen, viele Dosen bleiben übrig
- So lagern in deutschen Impfzentren aktuell rund rund zwei Millionen Impfdosen ungenutzt
- Doch was passiert mit übrig gebliebenen Dosen?
Wie bei jedem Rennen geht es auch beim Wettlauf gegen das Coronavirus vor allem um eins: Tempo. Je schneller geimpft wird, desto besser. Wie passt es da ins Bild, dass so viel kostbarer Impfstoff in den Kühlschränken der Impfzentren lagert? Welche Gründe gibt es dafür – und was könnte hier anders laufen? Muss die Impfreihenfolge geändert werden?
Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wie viel Corona-Impfstoff bleibt liegen?
Seit knapp 60 Tagen läuft die Corona-Impfkampagne in Deutschland. Bis Montag wurden nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums über 7,5 Millionen Impfstoffdosen von Biontech/Pfizer, Astrazeneca und Moderna an die Bundesländer ausgeliefert. Rund 5,2 Millionen Impfstoffdosen wurden bis dahin verabreicht, rund 2,3 Millionen Dosen liegen noch im Kühlschrank. Ein Teil davon ist für die bald anstehenden Zweitimpfungen reserviert. Der größte Teil aber, nach Schätzungen bis zu zwei Millionen Dosen, bleibt derzeit ungenutzt im Lager der Impfzentren.
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Das hat mancherorts logistische, oft aber auch psychologische Gründe: „Beim Impfstoff von Astrazeneca bleiben aus weitgehend irrationalen Gründen leider jeden Tag viele Impfstoffdosen liegen“, beklagt der Virologe Thomas Mertens. In den letzten Wochen hatte es vor allem Absagen wegen vermeintlich zu starker Nebenwirkungen und einer im Vergleich etwas geringeren Wirksamkeit des Vakzins gegeben.
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Was passiert mit dem übrigen Corona-Impfstoff?
Das sei ärgerlich, aber eigentlich kein Problem: Wenn jemand die Impfung nicht annehme, werde sie dem Nächsten angeboten, der an der Reihe ist. „In der Praxis ist es aber oft schwierig zu identifizieren, wer im konkreten Fall der Nächste ist, und diesen auch zu erreichen“, sagte der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko) unserer Redaktion. „Hier sollte es unbedingt in allen Impfzentren Listen geben, die festlegen, wer an die Reihe kommt, wenn Dosen übrig bleiben.“
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Damit kein Impfstoff verworfen werde, könne man auch geeignete Kandidaten aus nachfolgenden Prioritätsgruppen vorziehen. Das müsse pragmatisch vor Ort geregelt werden, die Übergänge der Stufen seien keine harten Grenzen.
Mertens hat hier jedoch vor allem Menschen mit hohem Infektionsrisiko im Blick – nicht die einflussreiche Lokalprominenz. Im Fall des Oberbürgermeisters von Halle, der sich vorzeitig hatte impfen lassen, argumentierte die Staatsanwaltschaft ähnlich: Auch Impfreste dürften nur denjenigen zugutekommen, die das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs hätten.
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Muss die Impfreihenfolge aufgehoben werden?
Um das Impfen zu beschleunigen und keine Impfdosen liegen zu lassen, wäre es im Fall des Astrazeneca-Vakzins denkbar, die Impfreihenfolge auszusetzen und die Verteilung an alle Willigen beziehungsweise zum Beispiel an sämtliche Lehrer, Polizisten oder Beschäftigte im Einzelhandel zu ermöglichen.
Stiko-Chef Mertens ist dagegen: „Wir können von der Impfreihenfolge in besonderen Lagen abweichen, wir dürfen die Impfreihenfolge aber nicht aufheben. Es darf nicht passieren, dass zum Beispiel schwer kranke Risikopatienten leer ausgehen, weil ganze Berufsgruppen mit starker Lobby unabhängig von der evidenzbasierten Prioritätsstufe vorgezogen werden.“
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Wer profitiert von den ungenutzten Impfdosen?
Das Land Berlin will mit einem Teil der übrig gebliebenen Astrazeneca-Dosen (mehr als 30.000) nun die rund 3000 Obdachlosen in den Notunterkünften impfen. Obdachlose sind in der zweiten Prioritätsstufe eingruppiert. „Es ist in der aktuellen Situation nicht hinnehmbar, dass Impfdosen ungenutzt herumliegen“, sagte die zuständige Senatorin Elke Breitenbach (Linke) unserer Redaktion. „Im Winter kommen viele von ihnen in einer Notunterkunft unter. Die Gelegenheit ist günstig.“
Auch andere Länder wollen früher mit Impfungen in der zweiten Prioritätsgruppe beginnen. Zu dieser Gruppe gehören dann auch Erzieher und Grundschullehrer. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) teilte am Dienstag auf Twitter mit, dass „Beschäftigte in Kitas, in der Kindertagespflege, in Grund- & Förderschulen“ von diesem Mittwoch an gegen Corona geimpft werden können. „Unsere entsprechende Verordnung tritt dann in Kraft.“
Früher als geplant könnten auch die ersten Regierungsmitarbeiter geimpft werden: Wie der „Spiegel“ berichtet, soll der Impfstoff von Astrazeneca durch die Bundeswehr ab Mitte März an „prioritär zu impfende Angehörige“ der Bundesministerien verimpft werden – sie sind in der dritten Gruppe eingestuft.
Welche Rolle spielen Arztpraxen?
Große Hoffnung ruht auf dem nächsten Schritt: wenn nicht nur in den Impfzentren, sondern auch in den Arztpraxen geimpft wird. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki forderte mehr Tempo: „Es wäre jetzt sinnvoll, Astrazeneca an die Hausärzte abzugeben“, sagte Kubicki unserer Redaktion. „Die Ärzte sollen sich hierbei an der geplanten Impfreihenfolge orientieren, können aber im Bedarfsfall hiervon auch abweichen.“
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Der Städte- und Gemeindebund verlangte unterdessen die rasche Einführung des digitalen Impfnachweises. Es sei unklug, die jetzigen Impfzentren erst später in Impfregistrierungszentren umzubauen, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. „Dann haben wir die gleichen Probleme wie jetzt beim Impfen im Schneckentempo.“