Liam Gallagher zeigte sich im Berliner Tempodrom gewohnt lässig. Der ehemalige Oasis-Sänger brachte auch einen Überraschungsgast mit.
Von null auf hundert innerhalb eines Gitarrenriffs. Mit dem ersten Ton der Band fliegen die Becher. Bierschauer ergießen sich über das Publikum. Die Menge, die sich am Dienstagabend im ausverkauften Tempodrom eingefunden hat, muss sich nicht lang akklimatisieren. Ein Glück, dass Liam Gallagher wie so oft im Regenparka auf der Bühne steht.
Direkt hinter dem ehemaligen Oasis-Sänger steht prominent ein weißes Klavier. Darauf prangt der Schriftzug ROCK ’N‘ ROLL wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Denn der Brite hat sein aktuelles Album „Why Me? Why Not.“ im Gepäck, und das hat mit Songs wie „Halo“ und „Shockwave“ ein paar ordentliche Anheizer zu bieten. Bis auf Platz drei der deutschen Charts hat es der Langspieler geschafft. In der UK kletterte er sogar nach ganz oben und bescherte dem Sänger damit das zehnte Nummer-eins-Album seiner Karriere.
Liam Gallagher zeigt sich im Tempodrom lässig
Wie gewohnt hält Gallagher beim Singen die Hände hinter seinem Rücken und zeigt sich lässig, während die Fans vor ihm toben. Er trägt dieser Tage Vollbart, und es wirkt, als hätte sich sein Aussehen mit der Zeit seiner ruppigen Persönlichkeit angeglichen. Der langjährige Streit mit seinem Bruder und ehemaligen Bandkollegen Noel ist berüchtigt. Und nicht umsonst hat der Sänger lebenslanges Flugverbot bei einer Hongkonger Airline.
Bei all dem rüpelhaften Image gehört zum Œuvre eines echten Rockstars natürlich auch eine Reihe zahmer Liebeslieder. Seinen weichen Kern zeigt Gallagher, der sich für die Reinkarnation John Lennons hält, an diesem Abend mit dem Song „Come Back To Me“ vom Album „As You Were“. Das große Feuerzeugschwenken bleibt zwar aus, wäre für den Endvierziger aber ohnehin zu pathetisch gewesen.
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Sohn von Liam Gallagher sitzt am Schlagzeug
Dass die Solonummern des Briten ihre Wirkung erzielen, lässt sich nicht abstreiten. So singen die Fans das Lied „Wall Of Glass“ textsicher mit, und als sich für „The River“ Gallaghers Sohn Gene an ein zweites Schlagzeug im Hintergrund setzt, brandet Jubel auf. Allerdings können die neuen Songs nicht ganz mit den eingestreuten Oasis-Hits mithalten. Hymnen wie „Stand By Me“ und „Champagne Supernova“ sind schließlich dazu gemacht, um mitgesungen zu werden – und die Fans lassen sich an diesem Abend nicht zweimal bitten.
Dass Gallagher erst letzte Woche ein Konzert in Hamburg aufgrund von Stimmproblemen abbrechen musste, merkt man im Tempodrom kaum. Zwischendurch wirkt seine Stimme bei genauem Hinhören zwar etwas belegt, doch wer könnte ihm das bei seinem Tourstop im derzeit stürmischen Berlin verübeln?
Gegen Ende des Abends nimmt die Dichte an Oasis-Nummern zu. Die Zugabe enthält schließlich gar keine aktuellen Songs mehr. Den Fans ist das recht. Zu „Roll With It“ springen sie durch die Halle, zu „Cigarettes & Alcohol“ lassen sie letzte Energien frei. Zum Schluss steht Gallagher noch eine Weile selbstzufrieden in seinem weißen Parka am Bühnenrand. Und während die Gitarren verklingen, steht im Hintergrund der Schriftzug ROCK ’N‘ ROLL wie ein erfülltes Versprechen.