Berlin. Der Kampf um gleiche Rechte ist noch lange nicht vorbei. Die Morgenpost hat Berlinerinnen gefragt, was sie vom Weltfrauentag halten.
Es gibt kaum ein Thema, über das sich so leidenschaftlich streiten lässt wie die Gleichberechtigung der Geschlechter. Haben die Frauen in westlichen, wohlhabenden Ländern wie Deutschland nicht längst alles erreicht – Führungspositionen, Führerschein, Prokura? Sind es nicht vielmehr die Männer, die sich heute Rechte erkämpfen müssen – um die Erziehungszeiten ihrer Kinder oder auch einfach, dass sie ab und zu nochmal so richtig Mann sein dürfen?
Einerseits: Ja. Das Wahlrecht für Frauen gibt es seit 100 Jahren, den Frauentag in Deutschland sogar noch länger, nämlich seit 1911, auch wenn er damals am 19. März begangen wurde und unter den Nationalsozialisten verboten und durch den Muttertag ersetzt wurde. Zu DDR-Zeiten bekamen die Frauen am 8. März eine Nelke. Und heute?
Noch immer sind die meisten Führungspositionen von Männern besetzt, verdienen Frauen auch in Deutschland teils erheblich weniger als Männer für dieselbe Arbeit. Und spätestens seit dem Aufkommen der sogenannten #MeToo-Bewegung im Herbst ist klar, dass von Gleichberechtigung der Geschlechter keine Rede sein kann. Nicht, solange Männer ihre Macht ausnutzen, um Schwächere – zumeist Frauen – sexuell auszunutzen oder gar zu missbrauchen. Da mag es vergleichsweise harmlos anmuten, was die derzeitige Koalition im Abgeordnetenhaus zum heutigen Datum bewegt: Ein Gutachten soll prüfen, wie der Frauenanteil im Berliner Parlament so erhöht werden kann, dass ihr Anteil dem in der Bevölkerung entspricht. Auch die Frage, ob die Berliner Wahlgesetze die Beseitigung von Nachteilen von Frauen bei der politischen Teilhabe verhindern, soll geklärt werden.
Wo Frauen mehr verdienen als Männer
Für unsere heutige Ausgabe haben wir Berliner Frauen gefragt, was sie vom Weltfrauentag halten – Frauen in Führungspositionen, aus Wirtschaft, Kultur und Sport – alle Vorbilder. Ihre fast einhellige Meinung: Der 8. März wird nach wie vor dringend gebraucht.
Patricia Schlesinger, RBB-Intendantin

Seit Juli 2016 leitet Patricia Schlesinger (56) den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) Der Rundfunkrat wählte die Journalistin, um das Fernsehen aus dem Quotentief zu holen. Kurz nach Amtsantritt kündigte sie „die größte Reform des Senders seit seinem Bestehen“ an. Inzwischen sind Sendungen neu etabliert, jetzt will sie die internen Strukturen anpassen. „Frauen sind in unserer Gesellschaft in der Mehrheit, aber an den Hebeln der Macht in der Minderheit“, sagt sie. „Solange das so ist, sollten wir nicht nur an einem Tag im Jahr darüber nachdenken, wie wir das ändern. Ganz sicher ist: ,Bitte’ sagen allein reicht nicht.“
Alice Brauner, Filmproduzentin

Filmproduzentin Alice Brauner (52) ist promovierte Politikwissenschaftlerin und arbeitete erfolgreich als Journalistin, bis sie die Nachfolge ihres berühmten Vaters Atze Brauner (99) als Chefin alten CCC-Filmstudios antrat. Heute ist sie längst aus dessen Schatten herausgetreten. Sie sanierte die der 70 Jahre Studios, gewann dafür erfolgreiche Serien wie „Dark“ (Netflix) oder „Ku’damm 59“ (ZDF). Außerdem lässt sie Filmklassiker mit großem Aufwand digitalisieren. 2017 wurde Brauner als mutigste und innovativste Unternehmerin des Jahres mit dem Veuve Cliquot Business Woman Award 2017 (Deutschland) geehrt.
Kirsten Niehuus, Berlins Filmfördererin

Kirsten Niehuus, Geschäftsführerin im Medienboard Berlin-Brandenburg, ist Berlins mächtigste Filmförderin. Die 59-Jährige verfügt über rund 26 Millionen Euro für die Filmförderung. Kurz vor der Berlinale gab Niehuus als Konsequenz auf die #metoo-Debatte bekannt, dass sie den Einsatz eines Harassment-Beauftragten bei Dreharbeiten finanziell fördern will. In den USA gibt es solche Vertrauenspersonen bereits. Sie sagt: „Der Weltfrauentag macht darauf aufmerksam, dass immer noch das männliche Prinzip vorherrscht. Auch in der Filmindustrie ist die weibliche Perspektive unterrepräsentiert.“
Regine Günther, Senatorin

Regine Günther (55), die von den Grünen aufgestellte parteilose Verkehrssenatorin, ist seit Dezember 2016 im Amt. Zuvor leitete sie 16 Jahre lang des Klima- und Energiereferat des WWF Deutschland. Vor ihr liegen nun wichtige Aufgaben: Sie muss unter anderem die Diesel-Frage für die Hauptstadt lösen, den Fahrzeugmangel bei BVG und S-Bahn beheben, Radwege bauen und den Sanierungsstau von Straßen und Brücken, der sich mittlerweile auf 1,3 Milliarden Euro beläuft, beheben. Für diese Aufgaben muss sie vor allem qualifiziertes Personal finden. Den Frauentag findet sie wichtig. „Wir müssen weiter daran arbeiten, dass Frauen gleiche Chancen bekommen und dass sie Familie und Beruf – und zwar auch Führungspositionen – miteinander verbinden können.“ Außerdem sollte ein respektvoller Umgang zwischen den Geschlechtern längst eine Selbstverständlichkeit sein, sagt sie.
Manja Wolarz, Schichtleiterin bei der S-Bahn

Manja Wolarz (43) arbeitet in der Leitstelle Plus der S-Bahn Berlin als Schichtleiterin und Mobilitätskoordinatorin. Ohne S-Bahn geht in der Großstadt Berlin (fast) nichts. Um so wichtiger ist es, dass bei Unfällen, Polizeieinsätzen und technischen Störungen im Netz schnell Lösungen gefunden werden, damit „der Fahrplan nicht aus dem Ruder läuft und die Fahrgäste ihr Ziel dennoch erreichen“, sagt sie. Mit ihren acht Mitarbeitern sorgt unter anderem dafür, dass bei Streckensperrungen der Ersatzverkehr funktioniert. „Einen besonderen Frauentag brauche ich eigentlich nicht, Frauen sind schließlich jeden Tag wichtig“, sagt sie.
Nicole Grummini, Bereichsleiterin U-Bahn

Diese Frau kennt sich unter der Erde aus: Nicole Grummini (40) ist Bereichsleiterin U-Bahn bei der BVG. Die studierte Wirtschaftsingenieurin und Großhandelskauffrau hatte schon früh beruflich mit Zügen zu tun, erst bei Railion und der Deutschen Bahn, jetzt eben im öffentlichen Nahverkehr der Hauptstadt. Das Frauenthema ist ihr wichtig, nicht nur am Weltfrauentag. „Frauen in technischen Berufen, in der Betriebsleitstelle oder als U-Bahnfahrerinnen? Na klar!“, sagt sie. „Die Gewinnung und Nachwuchsförderung von Frauen liegt mir am Herzen. Dafür stelle ich als Bereichsleiterin der Berliner U-Bahn gezielt die Weichen.“
Marion Bleß, Vorstand der Lotto-Stiftung

Als Vorstand der Lotto-Stiftung Berlin steht Marion Bleß (51) für die Verteilung von Lotto-Geldern an gemeinnützige Projekte. Bevor sie 2011 in die Position kam – sie ist auch Vorstand von Lotto Berlin – arbeitete Bleß zwölf Jahre in Führungspositionen der Medienbranche. „Es sollte jeden Tag Weltfrauentag sein – dann gäbe es keine Alltagsdiskriminierung mehr. Wir sind in Deutschland in Sachen Gleichstellung ja schon sehr weit, wie bei Stellenausschreibungen, Gesetzen oder auch im offiziellen Sprachgebrauch, der immer beide Geschlechter würdigt. Im alltäglichen Umgang gibt es dagegen noch einiges zu tun.“
Jenny De la Torre, Ärztin für Wohnungslose

Die Gründerin des Gesundheitszentrums für Wohnungslose in Mitte, Jenny De la Torre (63) stammt aus Peru, studierte in Deutschland Medizin und begann 1994 am Ostbahnhof, wohnungslose Patienten zu behandeln. De la Torres Stiftung gilt heute als Vorbild darin, wie man Menschen ohne Wohnung auf Augenhöhe behandeln kann – medizinisch, aber auch im übertragenen Sinne. Zum Frauentag sagt sie: „Alles, was wir brauchen, ist Selbstbewusstsein – zu wissen, was wir können und was nicht. Das reicht, um uns nicht an die Seite drängen zu lassen. Gleichberechtigung bedeutet: keine Diskriminierung.“
Seyran Ates, Gründerin einer Moschee

Die Rechtsanwältin Seyran Ates (54) setzt sich als Frauenrechtlerin seit vielen Jahren für die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ein. 2017 gründete sie in Moabit die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, in der Frauen und Männer gemeinsam beten, was viel Zustimmung, aber auch Kritik bis hin zur persönlichen Bedrohung nach sich zog. „Auch in den sogenannten entwickelten westlichen Ländern müssen wir feststellen, dass Frauen zum Beispiel für die gleiche Arbeit einen geringeren Lohn erhalten und nach wie vor eine gläserne Decke zu den höchstdotierten Arbeitsplätzen existiert. Es gibt also noch viel zu tun!“
Claudia Frese, Vorstand MyHammer.de

Die Unternehmerin Claudia Frese (46) ist seit 2013 CEO Vorstand der MyHammer Gruppe, Deutschlands führendem Handwerkerportal und damit stellvertretend für Frauen in typischen Männerberufen. Zuvor war Frese unter anderem bei eBay und Bertelsmann. „Nur sieben Prozent der auf MyHammer angemeldeten Handwerker sind Frauen. Auch in vielen IT-Berufen oder im Ingenieurwesen sind Frauen stark unterrepräsentiert, dabei bieten sich dort tolle Entwicklungsmöglichkeiten bei gutem Verdienst. Am Frauentag sollten wir Mädchen ermutigen, sich frei zu entwickeln, jenseits von traditionellen Frauenbildern.“
Anita Tillmann, Chefin der Premium

Anita Tillmann (45) ist Mitbegründerin und Chefin der Modemesse Premium, die zweimal im Jahr Fashion-People aus der ganzen Welt nach Berlin holt. Die gebürtige Düsseldorferin ist Diplom-Ingenieurin in Textil- und Bekleidungswirtschaft und hat für namhafte Modeunternehmen gearbeitet, bevor sie mit der Premium ihre eigene Chefin wurde. Die Mutter von Zwillingen unterstützt junge Designer, indem sie ihnen eine Präsentationsmöglichkeit auf der Premium einräumt, und engagiert sich beim Fashion Council Germany. Zudem unterstützt sie über Karuna e. V. Straßenkinder in Berlin und weitere Hilfsprojekte.
Polina Semionova, Primaballerina

Die russische Primaballerina Polina Semionova (33) gehört zu den Weltstars des Spitzentanzes. Entdeckt wurde sie vom Berliner Ballettintendanten Vladimir Malakhov, der sie blutjung zur Starsolistin des Staatsballetts machte. Nicht nur in großen Rollen, sondern auch im Musikvideo „Demo (Letzter Tag)“ von Herbert Grönemeyer war sie zu bewundern. Sie galt als „erster Ballettstar des Web 2.0“. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere machte sie etwas, was in ihrer Branche unüblich ist: Sie zog sich in die Babypause zurück, um anschließend glanzvoll auf die Bühne zurückzukehren. Die Stadt verlieh ihr den Titel „Berliner Kammertänzerin“.
Nora-Vanessa Wohlert und Susann Hoffmann, Gründerinnen der Web-Plattform Edition F

Als „digitales Zuhause für ambitionierte Frauen“ beschreiben Nora-Vanessa Wohlert (33) und Susann Hoffmann (35) ihre 2014 gegründete Business-Lifestyle Plattform Edition F. Ihre beruflichen Wege hatten sich erst ein Jahr zuvor gekreuzt: Hoffmann arbeitete in der Vergangenheit lange Zeit als PR & Strategieberaterin bei Scholz & Friends in Berlin, Wohlert leitete die Redaktion bei Gründerszene, dem deutschen Online-Magazin für die Digitalszene. Die Idee hinter Edition F: die Lücke zwischen den klassischen Frauen-Journalen mit Themen rund um Mode, Beauty und Gossip und den männerfokussierten Wirtschafts- und Karrieretiteln zu schließen. Edition F will zudem eine Community von ambitionierten, starken und karriere- und lifestyle-interessierten Frauen aufbauen. Um Frauen, die mit ihren Ideen dazu beitragen, das Leben zu erleichtern und neue Perspektiven zu eröffnen, eine Bühne geben, haben die beiden in Kooperation mit „Zeit Online“, dem „Handelsblatt“ und „Gründerszene.de“ den Edition-F-Award ausgelobt, der in diesem Jahr zum vierten Mal vergeben wird. Die Bewerbungsfrist für 2018 endet heute, im Sommer wird die Preisträgerin bekannt gegeben. Zum Frauentag haben die Powerfrauen natürlich eine klare Meinung: „Der Frauentag schafft Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit für das, was Frauen leisten, ihre Stärke und ihren Mut“, sagen die beiden. „Gerade #MeToo zeigte erst wieder: Wo Frauen zusammenstehen, entsteht eine Bewegung, die unsere Zukunft nicht unbedingt weiblicher, aber gerechter macht. Und die so viel Kraft entwickelt, dass auch die sich trauen, mehr zu wollen, mehr zu machen, mehr zu fordern, die sich in den hinteren Reihen wohler fühlen.“
Jana Heining, Fotografin

Jana Heining (41) ist Meisterin und Studioleiterin von Beautyshots an der Bundesallee. Menschen ins richtige Licht rücken – das ist ihr Ding. Im vergangenen Jahr hat Heining ihren Meister in Fotografie gemacht, als Beste ihres Gewerkes. Das Studio ist auf hochwertige Porträts spezialisiert. Familien, Frauen, Männer gehören zu den Kunden. Sechs Frauen sind im Kreativteam tätig. Man müsse den Frauentag auch heute noch begehen, sagt die Fotografin. „Ich bin immer noch der Meinung, dass zu wenige Frauen sich selbst verwirklichen können.“ Sie selbst habe zum Glück einen Mann gehabt, der immer hinter ihr gestanden habe.
Fränzi Kühne, jüngste Aufsichtsrätin Deutschlands

Die Digital-Unternehmerin Fränzi Kühne (34) wurde im Sommer vergangenen Jahres in den Aufsichtsrat des Telekommunikationsunternehmens Freenet AG gewählt. Damit ist die gebürtige Pankowerin Deutschlands jüngste Aufsichtsrätin in einem börsennotierten Unternehmen, gewählt mit 99,7 Prozent der Stimmen.
2008 hat die junge Frau mit der eigenwilligen Zopf-Frisur in einem Kreuzberger Hinterhof gemeinsam mit Christoph Bornschein und Boontham Temaismithi die Digitalagentur mit dem fantasievollen Namen „Torben, Lucie und die gelbe Gefahr“ (TLGG) gegründet. Das Unternehmen zählt so große Konzerne wie die Lufthansa, Spotify oder Vodafone zu ihren Kunden. 2015 verkaufen sie ihre Firma an Omnicom, einen der weltweit größten Werbekonzerne. Die Gründer sind im Unternehmen geblieben.
„2018 ist der Frauentag ein Tag irgendwo zwischen den Symbolen“, sagt sie. Einerseits sei dies inzwischen ein deutlich harmloser gewordener Schenk-ihr-mal-wieder-Blumen-Tag, ein Werbemittel, ein Kommunikationsanlass. „Andererseits ist er eben auch wieder ein Tag für das Ringen für die Rechte der Frau, für Gleichstellung, Gleichberechtigung, Entscheidungsfreiheit – und damit längst einer von 365“, so die Unternehmerin.
Auch wenn der Tag also durchaus Interpretationsspielraum lässt: „Wichtig ist er dennoch, weil er Initiativen bündelt, weil er laut und sichtbar ist und ein Tag der Solidarität“, findet sie. „Was Blumen mitnichten ausschließt!“ fügt sie hinzu.
Jutta Allmendinger, Soziologin

Jutta Allmendinger (61), Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, wird gefragt, wenn es um unsere Zukunft geht: Wie werden, wollen, können wir arbeiten, wie wollen wir leben? „In unseren modernen sozialen Systemen, so fortschrittlich sie sein mögen, ist Gleichberechtigung noch immer ein Thema. Der Frauentag erinnert daran, dass Frauen für gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden als Männer, dass sie oft mit Kindererziehung und Pflege alleingelassen werden, dass sie vielfach Opfer von Gewalt sind. Solange wir diese Probleme nicht gelöst haben, brauchen wir den Frauentag.“
Julia Stoschek, Sammlerin von Kunst

Die Kunstsammlerin Julia Stoschek, Jahrgang 1975, eröffnete nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre 2007 die „Julia Stoschek Collection“ in Düsseldorf. Heute besitzt die 41-Jährige eine internationale private Sammlung zeitgenössischer Kunst mit dem Fokus auf zeitbasierten Medien. In der Privatsammlung befinden sich über 700 Werke von rund 200 vorwiegend europäischen und US-amerikanischen Künstlern. In ihrer Konzeption konzentriert sie sich vor allem auf das bewegte Bild seit den 1960er-Jahren bis heute. 2016 eröffnete sie eine zweite Dependance in Berlin an der Leipziger Straße 60 in Mitte.
Stephanie Rosenthal, Museums-Chefin

Sie hat den Staffelstab von Gereon Sievernich, dem langjährigen Direktor des Martin-Gropius-Baus, übernommen: Stephanie Rosenthal, gebürtige Münchnerin, ist promovierte Kunsthistorikerin und war vor ihrer Berufung an die Hayward Gallery in London viele Jahre als Kuratorin und Projektleiterin am Münchner Haus der Kunst tätig. Darüber hinaus verantwortete Rosenthal auch die letzte Ausgabe der Sydney Biennale. Nun stehen im Gropius-Bau spannende Zeiten bevor: In einem Grußwort kündigte die neue Direktorin bereits im Februar an, künftig Künstler mit ihrem Atelier temporär in das Museum holen zu wollen.
Jacqueline Zich, Konzert-Veranstalterin

Das Veranstalten von Konzerten ist in Deutschland ein Milliardenbusiness geworden – und es wird dominiert von Männern. Eine der wenigen Frauen in den Chefetage der Konzertveranstalter ist Jacqueline Zich (38). Die gebürtige Düsseldorferin arbeitet seit mehr als 20 Jahren für das Berliner Unternehmen DEAG, das europaweit Musikveranstaltungen organisiert. Heute ist Zich für die Bereiche Klassik und Familien-Entertainment verantwortlich. Den Frauentag sieht sie vor allem als Plattform, um weiter für Gleichberechtigung zu kämpfen. „In anderen Ländern hat dieser Kampf noch eine viel größere Bedeutung als bei uns.“
Verena Pausder, Gründerin und Bloggerin

Verena Pausder ist die Gründerin und Geschäftsführerin von Fox&Shee. Das Berliner Unternehmen entwickelt und vermarktet weltweit Apps für Kinder im Vorschulalter. Die 38-Jährige treibt damit das Thema Digitalisierung und Bildung stark voran: in zwei Digitalwerkstätten in der Hauptstadt. Als Initiatorin von bundesweiten „Ladies Dinners“ vernetzt sie außerdem Unternehmerinnen, Gründerinnen und Geschäftsführerinnen der Internet- und Medienbranche. Verena Pausder sagt: „Der Frauentag ist wichtig, weil er den Fokus darauf lenkt, was Frauen alles Tolles machen. Vorbilder bewegen viel mehr als eine Quote.“
Julia Bösch und Anna Alex, Gründerinnen

Julia Bösch (33) und Anna Alex (33) gründeten die Online-Shoppingberatung Outfittery. Die Gründerinnen sind Frauen, ihr Thema: Männer. Dass diese oft nicht gern einkaufen gehen, um sich einzukleiden, erkannten die beiden als Marktlücke. Outfittery stellt individuelle Outfits zusammen. „Der Weltfrauentag ist nach wie vor ein wichtiger Anlass, um Frauen bewusst zu ermutigen, sich mehr zu trauen“, sagen die beiden. „Es gibt beispielsweise immer noch zu wenig Gründerinnen – das muss sich ändern! Bei Outfittery haben wir eine Frauenquote von 50 Prozent nicht nur auf der Teamebene, sondern auch im Management.“
Ines Fiedler, Vorstand des ITDZ Berlin

Ines Fiedler (53) ist seit 2016 Vorständin des IT-Dienstleistungszentrums Berlin (ITDZ) – und gehört zu den wenigen Frauen, die diese Position in der korrekten femininen Form auf ihrem Firmenprofil vermerken. In diese Position bringt Fiedler über 20 Jahre Erfahrung aus den unterschiedlichen Bereichen der IT mit. Bis 2010 war sie beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG. Eine ihrer größten Herausforderungen ist es, Fachpersonal für ihre Behörde zu finden. Das landeseigene ITDZ in Wilmersdorf betreut die Vereinheitlichung der IT-Systeme der Berliner Behörden – eine Mammutaufgabe.
Mariama Jamanka und Lisa Buckwitz

Mariama Jamanka (27) und Lisa Buckwitz (23) waren die Überraschung der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang. Im Zweierbob holten die Berlinerinnen sensationell den Sieg und bescherten Berlin eine Goldmedaille im Wintersport. Eine eher seltene Erscheinung. Pilotin Jamanka war einst Leichtathletin, wechselte erst vor knapp drei Jahren in den Rennschlitten. Zudem wurde Buckwitz erst im Januar ihre Anschieberin. Mit viel Mut zu rasanter Geschwindigkeit und ein wenig Glück im Wettkampf zeigten die beiden, dass es auch für Frauen möglich ist, in der Männerdomäne Bobsport erfolgreich zu sein.
Annika Klose, Berliner Juso-Chefin

Seit Oktober 2015 ist Annika Klose Landesvorsitzende der Jungsozialisten (Juso) Berlin, der Jugendorganisation der SPD. Die 25-Jährige studiert Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität – und ist unter anderem in der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aktiv. Geboren wurde sie in Dortmund. Als Juso-Chefin kämpft sie für die Erneuerung der SPD auch auf Landesebene. „Frauen verdienen im Schnitt ein Fünftel weniger als gleichqualifizierte Männer und sind viel häufiger von Altersarmut bedroht“, sagt sie. „Am 8. März gehen wir auf die Straße, um gegen diese Missstände zu protestieren. Jeder Tag im Jahr sollte Frauenkampftag sein.“
Manja Schreiner, Chefin der Bau-Gemeinschaft

Manja Schreiner (39) ist die erste Frau an der Spitze der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg e. V. Die promovierte Juristin betreut als Hauptgeschäftsführerin rund 900 Mitglieder. Schreiner unterstützt die wohnungsbaupolitischen Ziele des Senats. „Immer mehr Frauen übernehmen als Geschäftsführerinnen eines Bauunternehmens große Verantwortung“, sagt sie zum Frauentag. „Nicht nur, aber auch die Digitalisierung eröffnet Frauen zusätzliche Perspektiven in Bauberufen. Mit meiner Person stehe ich dafür, noch deutlich mehr Frauen für die Branche zu gewinnen. Mein Motto: Auf Frauen kann man(n) bauen!“
Anne Bengard, Künstlerin

Die Bilder der Künstlerin Anne Bengard (29) faszinieren und verstören zugleich. Im vergangenen Jahr stellte sie im viel beachteten Street-Art-Projekt „The Haus“ in einem Abrissgebäude in Charlottenburg aus. Bengard, geboren in Leipzig, wuchs in England und Deutschland auf und studierte in London. „Ich persönlich freue mich auf den Tag, an dem es keine Geschlechterrollen und Erwartungen an diese mehr geben wird. Auf eine Zeit, in der jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts unvorstellbar ist und es keinen Frauen- oder auch Männer-Tag mehr gibt, sondern nur noch einen Menschen-Tag“, so Bengard.
Palina Rojinski, Moderatorin und DJane

Palina Rojinski (32) wurde an der Seite von Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, besser bekannt als Joko und Klaas, bei „Circus HalliGalli“ richtig bekannt. Schon vorher hatte sie Erfolge vorzuweisen – beispielsweise als zweifache Deutsche Meisterin der rhythmischen Sportgymnastik. Und inzwischen ist klar, sie kann auch schauspielern. In der Kinoproduktion „Willkommen bei den Hartmanns“ machte sie mit. Bei allem Klamauk in ihren Sendungen ist das Berliner It-Girl zu einem Vorbild für junge Mädchen geworden und zeigt, dass man in der Medienwelt auch ohne Modelmaße groß rauskommen kann.
Janika Gelinek und Sonja Longolius, Literaturhaus-Leiter

Man kann schon behaupten, dass das Literaturhaus in Charlottenburg, wunderschön gelegen in einer alten Villa an der Fasanenstraße, ein wenig im Dornröschenschlaf lag. Klar, es gab immer Programm, aber selten wurde eine Diskussion spontan aufgegriffen, die die Stadt bewegte. Jetzt wird das Haus wachgeküsst – allerdings nicht von einem männlichen Prinzen, sondern von zwei Frauen: Janika Gelinek (38) und Sonja Longolius (39), die neuen Chefinnen des Literaturhauses. Das passt doch. Ihr ganzer Zugang ist auch ein anderer, nicht nur zum Weltfrauentag. „Uns interessieren die Geschichten von Frauen. Wir wollen wissen, was sie zu sagen haben und in welcher Form. Im Literaturhaus Berlin haben sie die Bühne dazu“, sagen die beiden übereinstimmend. Wie sie an den neuen Job kamen? Sonja Longolius hat über Paul Auster, Candice Breitz, Sophie Calle und Jonathan Safran Foer promoviert, Janika Gelinek arbeitete lange für den Nimbus-Verlag. Eine Liebe zu Büchern und Autoren haben sie also beide. Und eine Lust, etwas Neues auszuprobieren. Bei der Eröffnungswoche des Literaturhauses ab dem 20. März wird es auch Pop-Poetry-Slam geben, Helene Hegemann redet über Patti Smith, und es wird durchs Gebäude getanzt. Beste Frauenpower also.
Sonja Jost, Unternehmerin

Nachhaltige Chemie, dafür ist Sonja Jost (38) über Berlin hinaus bekannt. Sie schaffte es beispielsweise, dass man bei der Medikamentenherstellung auf Stoffe, die auf Erdöl basieren, verzichten kann. Ihre Meinung zum heutigen Tag? „Der Frauentag ist für mich in erster Linie ein Tag des Innehaltens. Viele unserer allgemein empfundenen Rechte, wie z. B. zur Wahl gehen zu können, sind nicht selbstverständlich, und dieses Bewusstsein bringt auch eine gewisse Verantwortung mit sich, über die es sich von Zeit zu Zeit lohnt nachzudenken.“ Er sei auch ein Dank an alle, die weltweit für Frauenrechte kämpfen.
Sabine Werth, Gründerin der Berliner Tafel

Vor 25 Jahren hat Sabine Werth (61) die Berliner Tafel gegründet, einen gemeinnützigen Verein, der inzwischen von rund 2000 Ehrenamtlichen getragen wird. Die Berliner Tafel verteilt jeden Monat bis zu 660 Tonnen Lebensmittel und unterstützt damit 125.000 bedürftige Menschen in der Stadt. Die studierte Sozialarbeiterin ist ehrenamtliche Vorsitzende. „Menschen sollten immer die gleichen Rechte haben. Egal woher sie kommen, an welchen Gott sie glauben oder welches Geschlecht sie haben. Deshalb setze ich mich seit 40 Jahren für Gleichberechtigung von Frauen ein“, sagt Werth.
Yvonne Büdenhölzer, Theatertreffen

Yvonne Büdenhölzer (40) ist Leiterin das Berliner Theatertreffens. Sie hat eine der wenigen Leitungspositionen in der Theaterwelt inne, die mit einer Frau besetzt sind. „Weltfrauentag! Empowerment! Wir leben noch lange nicht in einer Gesellschaft, in der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern herrscht. Der Weltfrauentag ist ein Zeichen der Solidarität. In diesem Sinne wird das Theatertreffen dieses Jahr auch einen Themenschwerpunkt setzen, der sich mit frauenfeindlichen Machtstrukturen im Kulturbetrieb auseinandersetzt und nach produktiven Lösungen sucht.“
Petra Schmidt-Schaller, Schauspielerin

Für ihre Leistungen in den Filmen „Ich war eine glückliche Frau“ und „Keine zweite Chance“ ist Petra Schmidt-Schaller (37) 2018 mit der Goldenen Kamera als beste Schauspielerin ausgezeichnet worden. Die Berlinerin hat sich innerhalb weniger Jahre in die erste Reihe der A-Liga-Darsteller gespielt und ist der beste Beweis dafür, dass freischaffende Frauen alles schaffen können. Gute Gene hat sie auch noch: Schmidt-Schaller ist die Tochter der Schauspielprofessorin Christine Krüger und des als ostdeutscher Fernsehkrimi-Ermittler bekannt gewordenen Schauspielers Andreas Schmidt-Schaller.
Antje Leinemann, Diplom-Kauffrau

Antje Leinemann (52), Geschäftsführerin von Bikini Berlin, ist die Herrin über ein besonderes Warenhaus. Alles, nur nicht Mainstream, so die Ambitionen der Concept Shopping Mall. Im Bikini Berlin an der Budapester Straße können die Kunden zum Beispiel ihren Kaffee mit Blick auf den Affenfelsen im Zoo genießen. „Solange es Institutionen wie den Frauentag geben muss, um das Bewusstsein auf die Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu richten, sind wir von dieser Gleichbehandlung noch immer entfernt. Erst wenn wir darüber nicht mehr reden müssen, haben wir es geschafft“, sagt Leinemann.
Ida Tin, Chefin und Gründerin von BioWink

Ida Tin (38) hat 2012 gemeinsam mit Hans Raffauf, Moritz von Buttlar und Mike LaVigne die BioWink GmbH gegründet und entwickelte die Zyklus-Tracking-App Clue. Mit dieser App können Frauen ihre fruchtbaren Tage berechnen. In den Fertilitätskalender geben die Nutzerinnen unter anderem Blutungen, Schmerzen, Stimmung und Schlaf ein. Die App errechnet aus diesen Daten, wann die Periode bevorsteht und wann eine Schwangerschaft am wahrscheinlichsten ist. Die Prognosen sollen präziser werden, je länger man die App nutzt. Inzwischen ist sie in 180 Ländern erhältlich.
Delia Fischer, Gründerin

Ihr Berufsweg ist ungewöhnlich: Als Delia Fischer 2011 ihren bisherigen Job kündigte und den Shopping-Club „Westwing“ gründete, war sie erst 26 Jahre alt – und nicht etwa ausgebildete Unternehmerin, sondern studierte Modejournalistin. Doch die Investoren waren überzeugt von ihr und der Idee: „Westwing“ berät Frauen, die sich für besondere Möbel und Designerstücke interessieren. Aus ihrer Zeit bei der Zeitschrift „Elle“ wusste Delia Fischer genau, was Frauen suchen. Uns sie selbst hatte schon immer ein Faible für Interieur. Der Erfolg gibt ihr recht: Inzwischen gibt es „Westwing“ in 14 Ländern auf drei Kontinenten.
Nicole Battefeld, Barista

Nicole Battefeld (29) ist die beste Barista Deutschlands – sie weiß alles über das Kaffeerösten und -zubereiten. Die Berlinerin, die in der „Röststätte“ in Mitte arbeitet, belegte bei den deutschen Kaffeemeisterschaften 2017 als Barista den ersten Platz. „Ich bin als einzige Frau angetreten, das fand ich sehr schade, weil ich meinen Kolleginnen gerne mehr Mut zusprechen möchte. Als ich wiederkam, bekam ich viel Glückwünsche. Aber es kam auch die Frage: ,Und warum machen Sie das als Frau?!‘ Ich war sprachlos. Der Frauentag gibt uns die Chance zu zeigen, wie sehr Leistung, Wille und Erfolg geschlechterunabhängig sind.“
Madleen Kurpiela, Meisterin

Die Karosseriebaumeisterin Madleen Kurpiela (28) ist tagsüber mit Blaumann und ölverschmierten Händen anzutreffen. Dann repariert sie die Autos der Berliner, zum Beispiel nach einem Unfall. Das war schon immer ihr Traum. Etwas mit Autos wollte die gebürtige Havelländerin machen. Mechatronikerin war ihr erster Gedanke, doch dann bot sich in einem kleinen Berliner Betrieb eine andere Chance. Heute wohnt sie in Steglitz. „Wir Frauen können stolz darauf sein, was wir erreicht haben“, sagt die junge Frau. Es könne aber immer noch mehr Frauen im Handwerk geben, findet sie.
Rahel Jaeggi, Philosophin

Die Philosophin Rahel Jaeggi (51) denkt über unser soziales Zusammenleben, unsere Gesellschaft nach. „Kritik von Lebensformen“ heißt das wichtigste Buch der Professorin, die an der Humboldt-Universität lehrt. Sie fragt sich darin, ob man behaupten könne, eine bestimmte Lebensform sei geglückt, eine andere dagegen müsse man kritisieren. Was ist eine Familie in der heutigen Zeit? Was eine Ehe? Was macht eine Stadt aus? Und wie kann man etwas kritisieren, was doch eigentlich privat gelebt wird? Lange galt die Philosophie als eine Männerdomäne – auch durch Rahel Jaeggi hat sich das geändert.
Jeanine Meerapfel, Regisseurin

Traditionell ist die Akademie der Künste ein Männerverein. Nach 320 Jahren war es Zeit für eine Frau an der Spitze – Jeanine Meerapfel hat sich durchgesetzt und ist die erste Präsidentin. Seit 1998 ist die 74-Jährige bereits Mitglied der Akademie der Künste. „Der Internationale Frauentag ist wichtig, weil wir darauf aufmerksam machen können, dass Frauen und Männer nicht gleich behandelt werden. In meinem Metier fällt das insbesondere bei der Filmförderung auf: Filme von Regisseurinnen werden seltener gefördert und erhalten weniger Produktionsmittel als die von männlichen Kollegen.“
Jessy Wellmer, Moderatorin

Jessy Wellmer (38) ist als Moderatorin der ARD- „Sportschau“ längst fester Bestandteil im immer noch von Männern beherrschten Fußball. Die Selbstverständlichkeit, mit der die gebürtige Güstrowerin ihren Job erledigt, passt perfekt zu ihrer Kompetenz im Sport allgemein – vor Kurzem zu sehen bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang. Vom „Medium Magazin“ wurde sie zur „Journalistin des Jahres“ im Bereich Sport gekürt. Ihr Markenzeichen – Sachlichkeit mit einem Augenzwinkern – bringt sie seit Jahresbeginn als Moderatorin des „Mittagsmagazins“ von ARD und ZDF einem noch größeren Publikum näher.
Setareh Maghsudi, Informatikerin

Die Juniorprofessorin am Einstein Center Digital Future ist nach Forschungsaufträgen in Kanada und den USA zurück in Berlin, wo sie auch schon ihre Dissertation abgeschlossen hat. Die Chance auf eine Juniorprofessur wollte sich Setareh Maghsudi nicht entgehen lassen. Die 32-Jährige ist die erste Frau, die an das Einstein-Center – einen Hotspot digitaler Forschung – berufen wurde. Der Frauentag könne das weltweite Bewusstsein für ungehörte Frauen stärken, denen aufgrund von Armut, Krieg, falschen Überzeugungen oder aus anderen Gründen Grundrechte wie Bildung vorenthalten werden, sagt Maghsudi.
Sabine Kunst, Präsidentin der HU

Sabine Kunst (63) steht seit fast zwei Jahren als Präsidentin an der Spitze der Humboldt-Universität, einer der renommiertesten Universitäten Deutschlands. Kunst hat die Hochschule erfolgreich durch schwierige Zeiten manövriert, nicht nur in der Affäre Andrej Holm. „Nicht nur die #MeToo-Debatte zeigt, dass Gleichstellung in vielfältiger Perspektive nicht überall im Alltag angekommen ist. So ist ein gleicher Anteil von Frauen in Führungsposition in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik bei Weitem keine Realität. Frauen treten für die Familie eher von der Karriere zurück als Männer. Das zeigt, wie wichtig der Internationale Frauentag ist.“
Maybrit Illner, Moderatorin im ZDF

Diese ZDF-Frau kennt man natürlich – jeden Donnerstag streiten sich das politische Berlin, Größen der Wirtschaft und andere wichtige Menschen zu Themen, die das Land bewegt. Alles im Hauptstadtstudio Unter den Linden, quasi in Sichtweite des Reichstages. Ein Fakt ist natürlich: In Talkshows sitzen als Gäste deutlich mehr Männer als Frauen. Das liegt daran, dass deutlich mehr Männer in Führungspositionen sind. Deshalb hat Maybrit Illner (53) auch sehr klare Worte zum Frauentag: „Nix gegen rote Nelken, aber wenn es um den Schutz vor Gewalt oder um gleiche Bezahlung geht, ist jeder Tag Frauentag.“
Herta Müller, Trägerin des Nobelpreises

Mit der Schriftstellerin Herta Müller (64) konnte 2009 Friedenau den zweiten Literatur-Nobelpreis feiern. In demselben Kiez wie Herta Müller lebte auch Günter Grass. Herta Müller hatte immer ihren eigenen Kopf: Im Alter von 15 Jahren lehnte sie die Lehrstelle ab, die ihre Mutter bei einer Schneiderin im Dorf organisiert hatte. Stattdessen besuchte Herta Müller das Lyzeum in Timișoara. Ihre Familie gehört zu einer deutschen Minderheit in Rumänien, 1987 reiste die Autorin nach Deutschland aus. Heimatlosigkeit, Diktatur, Würde – das sind ihre Themen, die sie in eine dichte Sprache in ihre zahlreichen Romane packt.
Susanna Kraus, Erfinderin

Die Schauspielerin Susanne Kraus (60) ist künstlerische Leiterin von Imago. Kraus ist die Ideengeberin und Initiatorin vieler für die Imagographie wichtiger Erfindungen wie zum Beispiel der Wiederbelebung eines Verfahrens zur Herstellung von Direkt-Positiv-Fotopapier. Seit 2011 arbeitet die 60-Jährige in ihrem Kunstraum in Kreuzberg. Für Susanna Kraus ist der Frauentag nicht relevant, „wenn ihm eine Alibifunktion für all die anderen Tage zukommt, an denen Frau verletzt, nicht geachtet, Gewalt ausgesetzt und nicht gleich wie Mann bezahlt wird“. Ihrer Ansicht nach hat die #MeToo-Debatte ihre absolute Berechtigung.
Alexandra Knauer, Unternehmerin

120 Mitarbeiter, Exporte in 60 Länder weltweit, zahlreiche Auszeichnungen – Alexandra Knauer (52), ist Geschäftsführerin und Eigentümerin der Knauer Wissenschaftliche Geräte GmbH. Sie führt das Unternehmen ihrer Eltern mit großem Erfolg weiter. Den Frauentag findet sie heute noch wichtig. „Ich werde privat und in unserer Zehlendorfer Firma für Labormessgeräte frauenförderliche Projekte weiterhin aktiv unterstützen.“ Sie freue sich schon auf die Mädchen, denen sie am 26. April anlässlich des Girls’s Days die High-Tech-Arbeitsplätze zur Herstellung von Geräten für die chemische Analyse zeigen werde.
Marina Hoermanseder, Designerin

Die Designerin Marina Hoermanseder (31) macht Berlin weiblicher – aber nicht nur. Ihre Big Buckle Strap Skirts sind weltweit unterwegs. Lady Gaga trägt ihre Mode, auch Rihanna. Die gebürtige Wienerin, die in Berlin ihr Atelier hat, hat zum Weltfrauentag eine eigene Meinung. Ein wenig kommerziell sei der zuletzt geworden. „So etwas wie der weibliche Black Friday.“ Schließlich locken viele Modehäuser heute mit Rabatten. Doch seit #MeToo denkt sie anders über die Emanzipation, mit der sie sich vorher etwas schwertat. „Es wird auf eine so elegante Form protestiert“, sagt sie begeistert. Die Weiblichkeit werde nun endlich zelebriert.
Andrea Mayr, Unternehmerin

Die Geschäftsführerin von maske berlin, Andrea Mayr (36), kümmert sich seit 14 Jahren um das Aussehen der Berlinerinnen. Ihr Team in Schöneberg ist spezialisiert auf Fotoshootings und Filmproduktionen. So hat es bei „Timm Thaler“ und „Rückkehr nach Montauk“ mitgearbeitet. „Als Friseurmeisterin und Maskenbildnerin erlebe ich tagtäglich, dass wir noch nicht bei einer Gleichberechtigung angekommen sind. Beim Thema Gehalt, Karriere und bei der Kindererziehung klaffen Theorie und Praxis auseinander. #MeToo ist auch außerhalb der Filmindustrie existent. Die Aufmerksamkeit schafft derzeit ein verstärktes Bewusstsein.“
Joana Breidenbach, Gründerin

Die Kulturanthropologin und Buchautorin Joana Breidenbach (52) gehört zu den Vordenkerinnen, die soziale und digitale Ambitionen miteinander verbinden. Breidenbach gehörte 2007 zu den Mitgründern von Betterplace.org. Die Plattform hilft beim Crowdfunding für soziale Projekte. Es folgte die Denkfabrik Betterplace.lab. Hier geht es darum, wie sich digitale Technologien besser für soziale Zwecke nutzen lassen. „Für mich ist der Frauentag wichtig, weil wir gerade erst begonnen haben, darüber zu diskutieren, wie von Frauen geprägte Führung, gesellschaftlicher Systemwandel und ,inner Wellbeing‘ aussehen können.“
Ekaterina Alipiev, Gründerin von Jourvie
Ekaterina Alipiev (28) ist Gründerin von Jourvie, einer App, die Menschen mit Essstörungen in der Therapie unterstützt, Vivian Otto (29) ist Geschäftsführerin. Sie stehen für die ebenso selbst- wie problembewusste Berufsentscheidung junger Frauen. Alipiev war selbst magersüchtig, bevor sie 2015 die App Jourvie launchte. „Besonders im Berufsleben dominieren weiterhin männliche Strukturen und Hierarchien. Wir sehen die Bedeutung des Weltfrauentags darin, die Akzeptanz und die Anerkennung des Frauseins in allen Lebensbereichen zu unterstützen. Nur gemeinsam sind wir stark und können was bewegen.
Katja von der Bey, Gründerin
Katja von der Bey (55) ist Geschäftsführerin der größten Frauengenossenschaft Deutschlands. Die WeiberWirtschaft an der Anklamer Straße in Mitte ist zugleich auch Europas größtes Gründerinnen- und Unternehmerinnenzentrum. „Ich würde den Frauentag gern abschaffen“, sagt sie. „Wir müssen nur vorher noch ein paar Kleinigkeiten klären. Zum Beispiel diejenigen, die gerade bei #metoo verhandelt werden. Oder diese klitzekleinen Unterschiede beim Geld: Mehr als 20 Prozent Einkommenslücke zwischen Männern und Frauen bei den Angestellten, fast 40 Prozent bei den Selbstständigen, fast 50 Prozent bei den Renten…“
Lea-Sophie Cramer, Gründerin von Amorelie
Lea-Sophie Cramer (29) ist die Gründerin von Amorelie, eines Luxus-Sexshops im Internet. Man kann die Geschichte dieser Berlinerin auf zweierlei Weise erzählen: als erfolgreiche Gründerin und Jungunternehmerin – oder als die jener Frau, die den Begriff „Erotikversand“ vom Schmuddelimage befreite. Mit 23 stieg die Berlinerin nach einem BWL-Studium und Station bei der Boston Consulting Group in Japan zur Co-Chefin der Gutscheinplattform Groupon auf. Ende 2012 gründete sie mit Sebastian Pollok den Erotikversand Amorelie. Und gilt seitdem nicht nur in der Gründerszene als Vorbild.
Monika Maron, Schriftstellerin
Die Schriftstellerin Monika Maron (76) lässt in ihren Werken starke Frauen auftreten. Selbstständige Frauen, Frauen, die etwas vom Leben verlangen und es sich auch nehmen – nicht ohne Rücksicht auf andere, aber ohne andere zu fragen. Ihre Frauen sind überall in Berlin zu finden. 1941 in Berlin geboren, wuchs Monika Maron in der DDR auf, dort wo Gleichberechtigung vom Staat diktiert wurde. Ihr Debüt „Flugasche“ erschien im westdeutschen Verlag S. Fischer. 1988 übersiedelte die Autorin in die Bundesrepublik und lebt seit 1993 wieder in Berlin. Sie wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet, darunter der Kleist-Preis (1992).
Birgit Bohle, Deutsche Bahn
Birgit Bohle (44) leitet seit 2015 die Fernverkehrssparte der Deutschen Bahn und damit erstmals eine Frau. Sie hat eine der härtesten Aufgaben im Konzern. Sie muss die Züge pünktlicher und zuverlässiger machen – und Gewinne erzielen. Bohle begann ihre berufliche Laufbahn 1992 mit einer Ausbildung bei BASF. Sie studierte anschließend an der Hochschule für Unternehmensführung in Koblenz sowie an der University of Austin Wirtschaftswissenschaften. 2000 begann sie bei der Unternehmensberatung McKinsey und arbeitete dabei unter anderem für die Deutsche Bahn.
Regina Ziegler, Filmproduzentin
Sie hat Geburstag am Weltfrauentag und findet, dass das ganz gut zu ihr passt. Regina Ziegler (74) ist eine der mächtigsten Filmproduzentinnen des Landes. Und war lange auch die einzige Frau in diesem Metier, die sich anfangs gegen die Herren der Zunft durchsetzen musste, von denen nicht wenige sie gern hätten scheitern sehen. Doch unbeirrt hat sie ihren Weg gemacht – und dabei auch die Waffen einer Frau eingesetzt. „Spontan fällt mir ein: Der Weltfrauentag hat viel Gutes bewirkt“, sagt Ziegler. Gibt allerdings zu bedenken: „Wenn ich an ,MeToo’ denke, frage ich mich: Sollte man nicht auch einen Weltmännertag haben?
Tijen Onaran, die Netzwerkerin
Menschen zusammenbringen war schon immer ihre große Leidenschaft. Gemeinsam mit vielen inspirierenden Frauen baute die in Karlsruhe geborene Deutsch-Türkin das größte Frauennetzwerk im Bereich der Digitalisierung auf. Inspiriert durch ihre Reise in die USA gründete sie Global Digital Women. Über startup affairs berät sie Unternehmen in der PR- und Öffentlichkeitsarbeit. Tijen Onaran (33) ist Netzwerkerin, Unternehmerin und Moderatorin. Sie sagt: „Für mich ist jeder Tag Weltfrauentag. Denn Sichtbarkeit, Inspiration und Empowerment beginnen im Kopf und zeigen sich im Handeln. Und handeln kann jede und jeder: 365 Tage im Jahr!“
Heike Schmitt-Schmelz, Stadträtin

Die SPD-Politikerin ist in Charlottenburg-Wilmersdorf für die Ressorts Jugend, Familie, Bildung, Sport und Kultur zuständig. Die 39-Jährige gilt als zupackend und lösungsorientiert und das auch noch auch noch ohne Parteischeuklappen. Hürden sieht sie sportlich. Ein Beispiel dafür ist die Bitte der Berliner Shakespeare Company um einen Standort für ein Globe Theatre. Die Stadträtin erkannte die Chance und schlug überraschend umgehend einen alten Lagerplatz am Spreeufer vor. Jetzt unterstützt sie die Truppe bei der Realisierung. Zum Frauentag sagt sie: „Der Frauentag sollte uns allen die unglaubliche Pionierleistung vieler Frauen ins Bewusstsein rufen, die sich für die Gleichstellung der Geschlechter eingesetzt haben“. Zugleich sehe sie in ihm auch einen Auftrag an Frauen, heutige Rechte und Perspektiven nicht als selbstverständlich hinzunehmen. „Wir müssen auch weiterhin gemeinsam aktiv gegen immer noch bestehende Ungerechtigkeiten, wie z.B. unterschiedlich hohe Löhne, vorgehen“, so die Stadträtin.

Annemie Vanackere, Leiterin des Hebbel am Ufer (HAU)
Annemie Vanackere, geboren 1966 im belgischen Courtrai, ist studierte Philosophin und seit der Spielzeit 2012/13 künstlerische Leiterin des Off-Theaterkombinats Hebbel am Ufer (HAU) in Kreuzberg: "Vor einem Jahr haben wir im HAU ein Festival mit dem Titel "Utopische Realitäten" rund um die Ideen von Alexandra Kollontai veranstaltet. Die Ideen der russischen Revolutionärin und Diplomatin von 1917 zur Geschlechter- und Familienpolitik sind nach wie vor visionär – so erschreckend wenig hat sich geändert. Es ist ein jahrhundertealtes und leider immer noch sehr gut funktionierendes System, das die #metoo-Debatte angreift. Werde ich selbst noch maßgebliche Veränderungen des Machtgefälles zwischen Männern und Frauen erleben? Wir arbeiten daran!"
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