Christin Fritzsche, Bereichsleiterin der ambulanten Wohnungsnotfallhilfe und Leiterin der Koordinierungsstelle der Berliner Kältehilfe, im Interview.

Menschen in Notlagen helfen und ihnen eine Perspektive geben: Das ist die Mission der GEBEWO - Soziale Dienste - Berlin gGmbH. Sie unterhält verschiedene Einrichtungen in den Bereichen Wohnungsnotfallhilfe, Eingliederungshilfe sowie Hilfen für Frauen. Die GEBEWO ist Mitglied der Diakonie und bildet gemeinsam mit ihren Tochtergesellschaften GEBEWO pro und Neue Chance den Verbund sozial.berlin.

Seit ihrer Gründung 1994 ist die GEBEWO auch Teil der Berliner Kältehilfe. Was das bedeutet und wie auch Bürger:innen obdachlosen Menschen im Winter helfen können, erklärt Christin Fritzsche im Interview.

Frau Fritzsche, die GEBEWO ist Teil der Berliner Kältehilfe. Was bedeutet das konkret?

Christin Fritzsche, Bereichsleiterin der ambulanten Wohnungsnotfallhilfe und Leiterin der Koordinierungsstelle der Berliner Kältehilfe.
Christin Fritzsche, Bereichsleiterin der ambulanten Wohnungsnotfallhilfe und Leiterin der Koordinierungsstelle der Berliner Kältehilfe. © Lena Obst

Wir, genauer gesagt die GEBEWO pro, betreibt die Koordinationsstelle der Berliner Kältehilfe. Diese wird vom Land Berlin gefördert und leistet die ganzjährige Planung und Entwicklung von Standorten der Berliner Kältehilfe, um die jeweils benötigten und angestrebten Schlafplatzkapazitäten für obdachlose Menschen zu Beginn der Kältehilfe sicherzustellen. Dabei erbringt die Koordinierungsstelle in enger Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales wichtige Netzwerkarbeit: Sie veröffentlicht alle notwendigen Informationen zu den Kältehilfeangeboten, akquiriert die notwendigen Immobilien und unterstützt Initiativen sowie öffentliche und gemeinnützige Träger dabei, Kältehilfeangebote zu entwickeln und umzusetzen.

Außerdem betreibt die GEBEWO pro seit 2007 das Kältehilfetelefon, an dem die Mitarbeiter:innen jeden Winter die Auslastung der Notunterkünfte erheben und diese Zahlen veröffentlichen. Die erhobenen Auslastungszahlen dienen zur kurzfristigen Bedarfsplanung, z.B. zur Schaffung zusätzlicher Kapazitäten, wenn die vorhandenen Plätze voll ausgelastet sind. Das Kältehilfetelefon ist zudem in den Abendstunden für Hilfeanfragen erreichbar.

Was für Angebote gibt es denn im Rahmen der Berliner Kältehilfe?

Das Angebot reicht von Notübernachtungen, Tagesstätten, Suppenküchen sowie Kälte- und Wärmebussen über verschiedene Beratungsstellen bis hin zu medizinischen Hilfen.

Wir selbst verfügen über eigene Notübernachtungen und stellen Schlafplätze für obdachlose Menschen zur Verfügung. Zusätzlich gibt es den Tagestreff am Containerbahnhof, in dem sich auch tagsüber 300 Menschen aufhalten können und warmes Essen sowie medizinische Versorgung erhalten.

Wie erfahren denn obdachlose Menschen von den verschiedenen Kältehilfeangeboten?

Neben der Webseite der Berliner Kältehilfe www.kaeltehilfe-berlin.de gibt es auch eine Kältehilfe-App. Diese bietet eine Übersicht über alle Angebote inklusive Berlinkarte mit Anzeige, wie weit die nächste Einrichtung vom eigenen Standort entfernt ist. Mit der App kann gezielt nach spezifischen Angeboten gesucht werden, z.B. nach Notübernachtungen speziell für Frauen oder Einrichtungen, in denen Hunde mitgebracht werden können. Neu ist in dieser Saison das Ampelsystem, mit dem man schnell erkennen kann, welche Notübernachtung aktuell noch Schlafplätze zur Verfügung hat und welche ausgelastet ist. Die App ist kostenlos und auch offline nutzbar.

Zusätzlich gibt es den Kältehilfe-Wegweiser. Das kleine Heft bietet ebenfalls eine Übersicht aller Kältehilfe-Einrichtungen, um hilfesuchenden Personen eine Orientierung zu geben. Der Kältehilfe-Wegweiser liegt in allen Einrichtungen der niedrigschwelligen Wohnungslosenhilfe und den Bezirksämtern aus und wird an Betroffene verteilt.

Was kann die Bevölkerung tun, um obdachlosen Menschen im Winter zu helfen?

Es ist wichtig, dass jede:r aufmerksam und mit offenen Augen durch die Stadt geht und Menschen in Not auch einfach mal anspricht und fragt, ob Hilfe benötigt wird. Die Hilfe kann ganz unterschiedlich aussehen: Zum Beispiel einen warmen Tee oder Kaffee anzubieten oder aber gemeinsam über die Kältehilfe-App nach einem Platz in einer Notunterkunft zu suchen. Auch kleine Geld- und Sachspenden wie warme Kleidung oder Hygieneartikel helfen immer weiter.

Die GEBEWO engagiert sich auch über die Kältehilfe hinaus ...

Genau, denn Kältehilfe ist eine reine Notversorgung, um Menschen vor dem Kältetod zu schützen. Neben der existenziellen Grundversorgung – also einem sicheren Schlafplatz für die Nacht, Mahlzeiten, medizinischen Angeboten, Möglichkeiten zum Duschen und Wäschewaschen – benötigen die Betroffenen eine adäquate Sozial- und psychologische Beratung sowie eine gezielte Vermittlung in geeignetere Hilfeformen. Dies können z.B. Betreute Wohneinrichtungen, Wohnheime für Frauen und Familien, therapeutische Wohngruppen oder aufsuchende Hilfen sein.

Ziel ist immer, die existenzielle Notlage nachhaltig zu beenden, die persönliche Situation dauerhaft zu verbessern und soziale Teilhabe zu fördern. Die GEBEWO wurde gegründet, um Menschen eine Perspektive zu geben.

Wie genau wird eine passgenaue Hilfe gewährleistet und auf welche Herausforderungen treffen Sie?

Zwar werden fast alle Angebote der GEBEWO über Entgelte oder Zuwendungen öffentlich gefördert, aber oftmals ist diese Förderung nicht ausreichend, um alle damit verbundenen Kosten zu decken. Daraus ergibt sich für uns die Notwendigkeit, kontinuierlich zusätzliche Mittel zu akquirieren. Diese nutzen wir, um bei Bedarf schnell neue Angebote zu schaffen oder bestehende bedarfsgerecht zu erweitern. Außerdem benötigen wir sie, um Menschen kurzfristig und gezielt in Notsituationen zu helfen, z. B. durch warme Kleidung im Winter.

 

Kontakt

 

GEBEWO - Soziale Dienste - Berlin gGmbH

Lahnstr. 86a

12055 Berlin

Telefon: +49 30 / 70 78 44 90

Fax: +49 30 / 70 78 44 92

E-Mail: geschaeftsstelle@gebewo.de

Web: www.gebewo.de

 

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