Strahlender Sonnenschein und kaum Wind. Kaiserwetter an der Ostsee. Vergessen sind die Strapazen des vorherigen Tages mit Gegenwind. Ostsee, wir kommen! Die Laune ist ausgezeichnet. Noch. Was wir zu dem Zeitpunkt nicht wissen: Das Meer erreichen wir gerade so mit Mühe und Not. 25 Kilometer Umweg stehen am Ende auf dem Tacho.
Aber der Reihe nach. Ueckermünde hat gut getan. In dem gemütlichen Hafenort mit seinem historischen Stadtkern fühlt man sich gleich wohl. Sicherlich auch ein guter Ausgangspunkt für Tagesausflüge in die Umgebung. Oder als Zufluchtsort, wenn es einem am Meer zu trubelig wird. Jeden Morgen fahren Fähren nach Stettin, Swinemünde und Usedom. Und auch viele Segler nutzen das geschützte Haff für Turns am Wochenende oder als Ausgangspunkt für Ausflüge nach Dänemark. Abends trifft dann in den Fischerkneipen Seemannsgarn auf Radlerstoff: halb wahre Abenteuergeschichten mit hohem Unterhaltungswert.
Oft wird man als Radreisender direkt auf der Straße von Passanten angesprochen: „Wohin fahren Sie?“ Oder: „Wie lange sind Sie schon unterwegs?“ So auch bei unserer Abfahrt auf dem Marktplatz. Einem Rennradfahrer fällt der Brooks-Sattel auf: „Das ist der Neue ohne Leder? Wie finden Sie ihn?“ In diesem Moment fällt mir die anfängliche Skepsis ein: „Das fühlt sich aber hart an. Ob man darauf vier Tage lang schmerzfrei fahren kann?“ Ansonsten redeten wir aber kaum über den Sattel. Und im Grunde ist das ein gutes Zeichen. Kein Drücken, kein Scheuern, keine Schmerzen. Was will ein Radfahrer mehr? Überzeugt antworte ich: „Erstaunlich bequem!“
60 Kilometer sind für die letzte Etappe von Ueckermünde nach Ahlbeck eingeplant. Eine machbare Strecke – auch nach vier Tagen. Normalerweise. Aber nach rund 30 sehr abwechslungsreichen und eindrucksvollen Kilometern am Haff entlang, mit Blick über das Landschaftsschutzgebiet Anklamer Stadtbruch lässt ein Zettel nichts Gutes ahnen: „Zur Zeit kein Fährbetrieb.“ Wir können es gar nicht glauben, bis uns zwei Radfahrer entgegenkommen, die aufgeregt winken. „Ihr müsst umdrehen. Da fährt nichts mehr. Der Fährmann hat keine Lust mehr“, teilen sie uns mit. Schlechte Nachrichten. Denn die Personen- und Radfähre ist die offizielle Verbindung auf dem Radweg nach Usedom. Die Tourenplanung ist damit hinfällig. Was nun? Schaffen wir es noch bis in Kaiserbad Ahlbeck? Welche Route nehmen wir stattdessen? Wird es die Fähre bald wieder geben?
Letzteres kann bislang niemand sagen – außer der Fährmann selbst. Und der ist nicht erreichbar. Die Homepage wurde abgeschaltet. Und bei der Stadt Usedom heißt es, man wisse nicht, ob es in dieser Saison einen Fährbetrieb geben wird. Einen Grund für die Einstellung konnte ebenfalls niemand angeben. Aber keine Sorge: Die Ostsee kann dennoch erreicht werden. Radfahrer auf dem Berlin-Usedom-Radweg haben mindestens drei weitere Möglichkeiten, um auf die Insel zu kommen.
Drei Alternativrouten
Variante 1 ist, bereits in Ueckermünde die Fähre zu nehmen und nach Kamminke überzusetzen. Das kostet für einen Erwachsenen 19 Euro und 5,50 Euro für das Fahrrad. Allerdings fährt sie nur zwei Mal am Tag: um 8.10 Uhr und 15.10 Uhr. In der Hauptsaison von Juli bis August verkehrt sie zusätzlich montags, donnerstags, freitags und samstags um 11.30 Uhr. Von Kamminke sind es rund 13 Kilometer bis Ahlbeck.
Variante 2 führt auf dem Radweg nach Anklam über die Zecheriner Brücke. Insbesondere die Fahrt über die Brücke ist sehr eindrucksvoll. Fünf Mal am Tag öffnet sie sich für den Schiffsverkehr. Diese Variante bedeutet 20 Kilometer zusätzlich. Insgesamt ist die letzte Etappe damit 80 Kilometer lang. Das schaffen jedoch nur trainierte Radfahrer, insbesondere weil Usedom keine flache Insel ist.
Variante 3 ist der Zug. Allerdings ist ein Umsteigen in Züssow in die Usedomer Bäderbahn notwendig. In der Hauptsaison kann es zudem schwierig sein, für das Fahrrad einen Platz zu bekommen. Eine Reservierung ist nicht möglich.
Brücke statt Fähre
Wir entscheiden uns für Variante 2. Das Wetter spielt mit. Und Zugfahren würde sich wie Schummeln kurz vor dem Ziel anfühlen. Also treten wir in die Pedale und radeln über die Brücke. Doch es wird keine Spazierfahrt. Nach vier Tagen sind die Muskeln müde und das Tempo nicht mehr ganz so hoch wie am Anfang. Es bleibt keine Zeit für eine Pause. Die letzten 50 Kilometer über die Insel Usedom sind wie bei einem Marathonlauf. Eigentlich ist die Energie aufgebraucht, die Motivation aber trägt die Teilnehmer ins Ziel. Wie bei einem Countdown fiebern wir dem Meer entgegen. Die letzten Meter rollen wir bereits über die Strandpromenade, das Rauschen des Meeres im Ohr. Es ist zugleich der Ostseeradweg. Uns packt das Fernweh. Man könnte jetzt einfach weiterfahren – nach Dänemark oder an der polnischen Ostseeküste entlang.
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