Berlin. Der Einsatz um ein besetztes Ladengeschäft am Rande der Berliner „Mietenwahnsinn“-Demonstration hat direkte Auswirkungen auf die kommenden Mai-Demonstrationen.
Nach Informationen der Berliner Morgenpost geht die Polizei von einem gestiegenen Bedrohungspotenzial aus. „Die aktuellen Ereignisse fließen in die Bewertung des 1. Mai ein“, sagte Polizeisprecher Thilo Cablitz.
Die linke Szene möchte sich in diesem Jahr in Friedrichshain treffen und damit nicht mehr in Kreuzberg. Als Startpunkt wird unter dem Motto „Gegen die Stadt der Reichen“ der Wismarplatz angegeben. Szenekenner beobachten die aktuellen Entwicklungen mit Sorge.
„Mietenwahnsinn“-Demo: Eskalierter Einsatz an der Wrangelstraße
In den vergangenen Jahren war der 1. Mai auch deshalb so ruhig geblieben, weil den Linken ein gemeinsames Thema gefehlt hatte. Das ist seit dem vergangenen Wochenende mit dem eskalierten Einsatz an der Wrangelstraße anders. Das sieht man auch, wenn man sich Internetseiten der linken Szene anschaut.
Auf der linksextremen Seite Indymedia heißt es beispielsweise: „Verteidigt die Liebigstraße und alle anderen bedrohten Projekte, Wohnungen, Häuser und Viertel.“ Und zum Protest am Sonnabend heißt es anerkennend: „Um die 40.000 Menschen zogen durch die Innenstadt. Keinerlei Parteien und komische Organisationen waren zugelassen - es war eine sehr große außerparlamentarische Basisorganisierung. Hut ab vor der politischen Leistung, diese unterschiedlichen Strömungen zusammen zu bringen.“
Video aus dem vergangenen Jahr: Der erste Tag im Mai 2018 in Berlin

Demonstranten sollen „Stich zu“ gerufen haben
Am Sonnabend besetzten mehrere Demonstranten ein leerstehendes Ladengeschäft an der Wrangelstraße in Kreuzberg. Bei dem Polizeieinsatz wurden neun Polizisten verletzt und 14 Menschen vorläufig festgenommen. Die Polizei berichtete von Gewalt gegen Beamte. Demonstrationsteilnehmer schilderten dagegen ein hartes Vorgehen der Beamten.
Die Polizei sichtet derzeit Videos, um das Geschehen auszuwerten. Von Interesse ist für die Behörde besonders eine Szene: Aus der Menge heraus soll ein Beamter mit einem Messer bedroht worden sein. Andere Demonstranten sollen gerufen haben: „Stich zu. Stich zu“. Der Mann sei anschließend unerkannt in der Menschenmenge untergetaucht. Der Beamte erlitt einen Schock und musste seinen Dienst abbrechen.
Laden an Kreuzberger Wrangelstraße als Symbol der Gentrifizierungsgegner
„Das ist eine neue Qualität der Aggression“, sagte Polizeisprecher Thilo Cablitz der Berliner Morgenpost. Der ehemalige Laden an der Wrangelstraße gilt als Symbol der Gentrifizierungsgegner. Während die Polizei gegen die Besetzer vorging, versammelte sich vor dem Laden eine größere Menschenmenge, um die Besetzer zu unterstützen.
Laut Polizei sei die Menge so aggressiv gewesen, dass die Zivilpolizisten sich in dem Laden verbarrikadieren mussten. Beamte setzten Reizgas ein, um sich Zutritt zu verschaffen. Ein Demonstrant soll versucht haben, einem Polizisten die Waffe zu entreißen. Einem anderen Beamten wurde das Reizgas entwendet. Der Demonstrant attackierte damit die Polizei.
21 Strafermittlungsverfahren bei Besetzung in Kreuzberg
Die Beamten leiteten insgesamt 21 Strafermittlungsverfahren ein, unter anderem wegen schweren Hausfriedensbruchs, schweren Landfriedensbruchs, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Bedrohung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, versuchter Gefangenenbefreiung, Diebstahls und Sachbeschädigung. Die Auswertung des Videomaterials dauere an.
Kritik an dem Polizeieinsatz kam von mehreren Berliner Abgeordneten, die sich vor Ort aufhielten und trotz Verweis auf ihre Stellung als Mandatsträger unmissverständlich aufgefordert wurden, den Eingangsbereich zu verlassen.
Während die grüne Bundestagsabgeordnete Canan Bayram am Sonntag auf Twitter die Auffassung vertrat, als Parlamentarierin habe sie jederzeit das Recht, behördliche Maßnahmen zu untersuchen und bei Bedarf einzugreifen, stellte sich der Berliner SPD-Innenexperte Tom Schreiber gleichfalls bei Twitter hinter die Polizei und ihre Maßnahmen.
CDU: „Rückfall in schlimmste Hausbesetzerzeiten“
Kurt Wansner, Abgeordneter von Friedrichshain-Kreuzberg der CDU-Fraktion Berlin, erklärte hingegen: „Die Reaktion auf die Ladenräumung in der Wrangelstraße zeigt, wessen Geistes Kind Berlins Grüne und Linke sind. Ihre Haltung ist ein Rückfall in schlimmste Hausbesetzerzeiten. Kein Wort des Bedauerns von ihnen, dass Beamte mit Steinen und Flaschen beworfen und verletzt wurden. Einer wurde sogar mit dem Messer bedroht“. Linke und Grüne würden sich als Regierungsparteien mit Rechtsbrechern solidarisieren und gefährdeten den Frieden in der Stadt. „Statt für Klarheit zu sorgen, hüllen sich die SPD und der Regierende Bürgermeister in Schweigen“, so Wansner.