Es sind jedes Jahr ähnliche Bilder: Die Protagonisten des 1. Mais sind Demonstranten, Polizisten, Politiker. Der Tag danach gehört jedoch weniger bekannten Hauptdarstellern wie BSR-Mitarbeitern und Glasermeistern.
Seit fast zwölf Stunden ist Darius Wagner im Einsatz. Die Teilnehmer der „Revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ waren kaum an der Volksbank in der Karl-Marx-Straße in Neukölln vorbei gezogen, da beseitigte der Glasermeister schon die akuten Schäden. Drei große Fensterscheiben waren am Abend des 1. Mai eingeworfen worden. Bis tief in die Nacht klebte der Chef der Firma „Alarmglas“ gemeinsam mit vier Kollegen die Risse. Nach einer kurzen Pause kehrte Wagner am Montagmorgen zur Volksbank zurück, um nachzumessen. „Ich kontrolliere lieber noch einmal die Maße. Nicht, dass ich in der Nacht etwas falsch berechnet habe“, sagte er am Montagmorgen.
Auf der anderen Straßenseite bot sich ein ähnliches Bild. Nur der Glasermeister und die Bank unterschieden sich. Henry Backhaus, Mitarbeiter der Glaserei Klöpfer, nahm an der zersplitterten Fensterscheibe der Commerzbank an der Karl-Marx-Straße Maß. Seine fünf Kollegen waren ebenfalls in Sachen Notverglasung unterwegs. Doch die Schäden hielten sich in Grenzen: „Sonst hatten wir am 2. Mai 15 Aufträge“, sagte Backhaus. An diesem Montag waren es fünf. Über mangelnde Auslastung konnte sich seine Firma trotzdem nicht beklagen, wegen der Reparaturen an der Liebigstraße 14 haben sie jede Menge zu tun. Bei der Hausräumung vor einigen Wochen war viel Glas zu Bruch gegangen: „Wir mussten 90 Fenster ersetzen. Damit waren wir bis letzte Woche beschäftig“, sagte Backhaus.
Ohne beschriftete Plexiglasplatten geht nichts
Viel Arbeit hatten auch Uwe Schulz und Lukas Neumann bei der Berliner Bank an der Adalbertstraße in Kreuzberg. Der Chef eines Montageservices entfernte mit seinem Mitarbeiter Art Plexiglas-Platten. „Da können Sie jeden Stein rauf werfen, das hält“, sagte Schulz. Seit vier Jahren schützt er mit seinen Konstruktionen am 1. Mai die Glasscheiben der Bank. Die Platten sind beschriftet, damit sie jedes Jahr dem passenden Bankfenster zugeordnet werden können.
Anwohner wunderten sich am Montag aber darüber, dass bei der Pizzeria Oregano an der Oranienstraße die Frontscheibe fehlte. Das Loch war nur notdürftig mit Biertischen und Bänken verbarrikadiert. Doch die Glaserei kam früh. Um kurz nach 9 Uhr war die Scheibe wieder eingesetzt. Dahinter steckte keine Randale, sondern Taktik: Der Gastwirt hatte die Scheibe entfernen lassen, um seine Pizza während des Myfestes ungehindert auf die Straße verkaufen zu können.
BSR arbeitet die Nacht durch
Gegenüber beseitigte Axel Wirth noch die letzten Spuren und nahm den Holzkubus, der das Firmenschild seines Tapeten- und Farbengeschäfts vor Schäden geschützt hat, ab. Die Gitter vor dem Ladenfenster waren bereits eingefahren, der Müll beseitigt. Um 8.45 Uhr herrschte gewohnte Geschäftstüchtigkeit.
Die Berliner Stadtreinigung (BSR) war auch noch am Montag in Kreuzberg unterwegs, um den Müll, der vom Myfest zurückgeblieben war, zu beseitigen. Mit dem Aufräumen hatte die BSR schon in der Nacht zu Montag begonnen.
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